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POLITISCHE JUSTIZ IN RUSSLAND: STRAFPROZESSE GEGEN UKRAINISCHE STAATSBÜRGER

Ukraine beteiligt zu sein," manche der ukrainischen Angeklagten wie , feindliche
Kombattanten" behandelt." Sie werden auferhalb ihres Landes festgehalten und
wegen Kriegsverbrechen belangt — ein Vorwurf, der nur im Rahmen eines zwi¬
schenstaatlichen Konflikts Sinn ergibt.’ Auch die hohe Zahl von Anklagen wegen
Terrorismus und Spionage kurz nach der Annexion der Krim und die Intensität
der strafrechtlichen Verfolgung ukrainischer Bürger in Russland deuten indirekt
darauf hin, dass Russland in den Konflikt im Nachbarland involviert ist.

POLITISCHE GEISELN

Was verbindet einen Filmemacher, einen antifaschistischen Aktivisten, einen
Nationalisten, einen Hirten, einen Rentner, einen Geschichtslehrer, einen Jura¬
Absolventen und eine Kampfpilotin? Unter anderem die Tatsache, dass sie als
ukrainische Staatsbürger in Russland in Haft waren und größtenteils noch sind.
Die Behörden werfen ihnen Verbrechen gegen die Russländische Föderation oder
gegen die russische Minderheit in der östlichen Ukraine vor. Doch mit ihrer Ent¬
führung und Inhaftierung hat Russland seinerseits sowohl gegen nationales als
auch internationales Recht verstoßen.!’Die ukrainische Staatsanwaltschaft hat

” Russland spricht von einem innerukrainischen Konfliktzwischen Kiev, Donec’k und Luhans’k. Den

Beweis, dass Russland eine zentrale Rolle spielt, führen u.a. in diesem Band Nikolay Mitrokhin,
Im Namen des Staates, Russische Nationalisten im Ukraine-Einsatz, Osteuropa (2019), 103¬
121, und Maksim Aljukov, Von Moskaus Gnaden, Genese und Geist der „Volksrepublik Donezk”,
Osteuropa (2019), 123-131.

® Gerichtsverfahren gegen feindliche Kombattanten sind nach Posner „eine noch reinere
Form des politisch gefärbten innerstaatlichen Strafprozesses“, sie spiegelten „militärische
und politische Ziele wider“. Eric Posner, Political trials in domestic and international law,
Duke Law Journal 55 (2005), 75-152, 130.

° Der Begriff des zwischenstaatlichen Konflikts ist durch die Rechtsprechung des
Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien mittlerweile hinreichend
definiert, siehe Absatz 84, S. 34, des Urteils der Berufungskammer im Fall Dusko Tadic,
Nr. IT-94- 1, 5.7.1999, www.icty.org/x/cases/tadic/acjug/en/tad-aj990715e.pdf; Elizabeth
Wilmshurst, International law and the classification of conflicts, Oxford, OUP, 2012, 470.

1° Allein schon die Entführung ukrainischer Bürger aus ihrem Land widerspricht dem
im Völkerrecht verankerten Interventionsverbot, vgl. das Urteil des Internationalen
Gerichtshofs zu militärischen und paramilitärischen Aktivitäten in und gegen Nicaragua
vom 27.6.1986, www.icj-cij.org/do- cket/files/70/ 6503.pdf. Siehe auch Dieter Fleck ¬
Michael Bothe (eds.), The handbook of international humanitarian law, Oxford, OUP,
2007, Abs. 202, 48; Caroline von Gall, Analyse: In Feindes Hand. Das Verfahren gegen
Nadija Sawtschenko, BpB (26.2.2015), www.bpb.de/201885/analyse- in-feindes-hand-das¬
verfahren-gegen-nadija-sawtschenko; Ilya Nuzov — Anne Quintin, The Case of Russia’s
Detention of Ukrainian Military Pilot Savchenko under IHL. EJIL-Talk, European Journal
of International Law Blog (3.3.2015), www.ejiltalk.org/the-case-of-russias-detention¬
of-ukrai-nian-military-pilot-savchenko-under-ihl. Auf eine willkürliche Anwendung

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