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RICHARD SOYER — STEFAN SCHUMANN Lenkungseffekte erkennen. Auch in der Strafrechtspflege ist seither manches neu zu denken. In Zeiten des Umbruchs werden neue Perspektiven entdeckt, neue Entwicklungen bahnen sich an. Im Jahr 2016, zehn Jahre nach Inkrafttreten des VbVG, konnten die Veranstalter des Europäischen Forum Alpbach, das seit 1945 alljährlich im August im Tiroler Bergdorf Alpbach stattfindet, davon überzeugt werden, Rechtsgespräche über Menschenrechte und Unternehmensstrafrecht stattfinden zu lassen. Alpbach war der fruchtbare Boden, um sich diesem aufkommenden Thema zuzuwenden, ganz in der Tradition dieses wohl bedeutendsten österreichischen Forums mit internationaler Ausrichtung, das sich wissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen widmet und brennende Themen der Gegenwart und Zukunft immer wieder mutig aufgreift.'* Es kam, wie es kommen musste. Das Unternehmensstrafrecht als Herausforderung nicht bloß der innerstaatlichen Rechtsordnung für Unternehmen und für die österreichische Strafrechts“community“ — von Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden über die Strafgerichtsbarkeit und Anwaltschaft wie auch die Strafrechtswissenschaft — hat sich in den Köpfen der Verfasser immer breiter gemacht, verankert. Die klassische Perspektive der Sanktionierung von unmittelbar wettbewerbsverletzenden Verhaltensweisen, ob Kartellabsprachen oder Korruption, greift zu kurz. Verletzungen von Sozial- und Umweltstandards, die mittelbar auch Wettbewerbsverzerrungen bilden, geraten immer stärker in den Fokus. Sie machen nicht an den Landesgrenzen halt. Die Untersuchung von Problemen des internationalen Menschenrechtsschutzes drängte sich den Verfassern immer stärker auf. Die Idee verdichtete sich zu dem UWM-Forschungskonzept, das sich auf Menschenrechtsschutz und Unternehmensstrafrecht als Zukunftsagenda im globalen Wettbewerb fokussiert. Oftmals kann mansich des Eindrucks nicht erwehren, Unternehmensstrafrecht werde traditionell entweder so konzipiert, dass es den jeweiligen Wirtschaftsstandort durch drohende Verfolgungsintensität nicht belasten soll, oder es wird protektionistisch-selektiv eingesetzt und beinhaltet daher eine Benachteiligung ausländischer zu Gunsten einheimischer Unternehmen. Auch der Einsatz des Unternehmensstrafrechts als Mittelzur Austragung wirtschaftlicher Konflikteistin der aktuellen Phase einer Renaissance der Nationalstaaten und Partikulargewalten vorstellbar. Es beanspruchen z.B. die USA oft weltweit Jurisdiktion wegen Verstößen gegen US-amerikanisches Recht. Europa hingegen sieht zu, wie europäische Unternehmen von amerikanischen Gerichten und Behörden zu Millionen-, ja Milliardenbußen, verurteilt werden. In diesem Lichte erweisen sich Defizite des 14 Die Vorträge und Diskussionsbeiträge der Rechtsgespräche über Menschenrechte und Unternehmensstrafrecht sind dokumentiert im österreichischen Anwaltsblatt 11/2016, abrufbar unter www.rechtsanwaelte.at. « 90 «