Lenkungseffekte erkennen. Auch in der Strafrechtspflege ist seither manches neu
zu denken. In Zeiten des Umbruchs werden neue Perspektiven entdeckt, neue
Entwicklungen bahnen sich an. Im Jahr 2016, zehn Jahre nach Inkrafttreten des
VbVG, konnten die Veranstalter des Europäischen Forum Alpbach, das seit 1945
alljährlich im August im Tiroler Bergdorf Alpbach stattfindet, davon überzeugt
werden, Rechtsgespräche über Menschenrechte und Unternehmensstrafrecht
stattfinden zu lassen. Alpbach war der fruchtbare Boden, um sich diesem
aufkommenden Thema zuzuwenden, ganz in der Tradition dieses wohl
bedeutendsten österreichischen Forums mit internationaler Ausrichtung, das
sich wissenschaftlichen und künstlerischen Disziplinen widmet und brennende
Themen der Gegenwart und Zukunft immer wieder mutig aufgreift.'*
Es kam, wie es kommen musste. Das Unternehmensstrafrecht als Heraus¬
forderung nicht bloß der innerstaatlichen Rechtsordnung für Unternehmen
und für die österreichische Strafrechts“community“ — von Ermittlungs- und
Strafverfolgungsbehörden über die Strafgerichtsbarkeit und Anwaltschaft wie
auch die Strafrechtswissenschaft — hat sich in den Köpfen der Verfasser immer
breiter gemacht, verankert. Die klassische Perspektive der Sanktionierung von
unmittelbar wettbewerbsverletzenden Verhaltensweisen, ob Kartellabsprachen
oder Korruption, greift zu kurz. Verletzungen von Sozial- und Umweltstandards,
die mittelbar auch Wettbewerbsverzerrungen bilden, geraten immer stärker in
den Fokus. Sie machen nicht an den Landesgrenzen halt. Die Untersuchung von
Problemen des internationalen Menschenrechtsschutzes drängte sich den Verfassern
immer stärker auf. Die Idee verdichtete sich zu dem UWM-Forschungskonzept,
das sich auf Menschenrechtsschutz und Unternehmensstrafrecht als Zukunfts¬
agenda im globalen Wettbewerb fokussiert.
Oftmals kann mansich des Eindrucks nicht erwehren, Unternehmensstrafrecht
werde traditionell entweder so konzipiert, dass es den jeweiligen Wirtschafts¬
standort durch drohende Verfolgungsintensität nicht belasten soll, oder es wird
protektionistisch-selektiv eingesetzt und beinhaltet daher eine Benachteiligung
ausländischer zu Gunsten einheimischer Unternehmen. Auch der Einsatz des
Unternehmensstrafrechts als Mittelzur Austragung wirtschaftlicher Konflikteistin
der aktuellen Phase einer Renaissance der Nationalstaaten und Partikulargewalten
vorstellbar. Es beanspruchen z.B. die USA oft weltweit Jurisdiktion wegen Verstößen
gegen US-amerikanisches Recht. Europa hingegen sieht zu, wie europäische
Unternehmen von amerikanischen Gerichten und Behörden zu Millionen-, ja
Milliardenbußen, verurteilt werden. In diesem Lichte erweisen sich Defizite des