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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

Die Bereitschaft Ungarns für die Aufnahme der deutschen Literatur be¬
günstigten freilich auch die festen politischen, ökonomischen und kulturellen
Bindungen zu Österreich. Letzteren ist es u. a. zu verdanken, dass 1784 an der
Universitat in Pest der Lehrstuhl fiir deutsche Sprache und Literatur begrün¬
det wurde, in seiner Art eigentlich der zweite in Europa.”

2.

Einen ganz besonderen Beitrag fiir das hohe Interesse der Ungarn fiir Deutsch¬
land und seiner Kultur leisteten außerdem auch die tiefgreifenden Erlebnisse
der angehenden jungen (vor allem protestantischen) Intellektuellen des König¬
reichs in den jeweils bedeutendsten Zentren der deutschen Bildung und Kultur
während ihrer Studienzeit — vor 1750 in Wittenberg? und in Halle”!, danach
in Göttingen?” und zwischen 1788 und 1817” - dank vor allem den systema¬
tischen wissenschaftsorganisatorischen Bemühungen des Ministers Goethe
für das rasch zunehmende Niveau an der Universität des Herzogtums Weimar¬
Eisenach - in Jena.”

Allein im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts wurden bereits 262 Stu¬
denten aus dem Königreich Ungarn und Siebenbürgen an der Universität in
Jena immatrikuliert.”” Zusammenhänge zwischen ihrem Aufenthalt im Her¬
zogtum und den beiderseitigen außerordentlich regen deutsch-ungarischen
kulturellen Wechselbeziehungen um und nach 1800 sind unverkennbar. Ich
erinnere an dieser Stelle an die um 1800 rasant zunehmende Ungarnthematik
in den periodischen Schriften der Region Weimar-Jena-Leipzig” und an die

1% Vgl. dazu Schnittpunkte, Bd. 1, S. 20, 24, 45-46.

°° 7. B. Melius Juhász, Peter (geb. um 1536-1572) und Rotarides, Mihaly (1715-1747)

2 Z.B. Bel, Mätyäs (1684-1749)

Unter vielen anderen Schwartner, Martin (1759-1823), Schedius, Johann Ludwig (1768-1847)
sowie Rumy, Karl Georg (1780-1847)

Wegen der aktiven Beteiligung der Studenten aus dem Königreich Ungarn an dem Wartburg¬
fest am 18. Oktober 1817 wurde das Studium der Ungarn in Jena in den folgenden Jahren von
den Ämtern der k. k. Monarchie vorübergehend nur ganz selten genehmigt.

Weiteres zu diesem Thema siehe in den Beiträgen Magyar vändorok Weimarban [Reisende
aus Ungarn in Weimar.] „Er war in diesem Zeitalter der König der Seelen.“ Goethes Begeg¬
nungen mit Reisenden aus Ungarn.

Feil, Othmar: Die führende Stellung der Ungarländer in der internationalen Geistesgeschichte
der Universität Jena, Forschungsbericht, Sonderdruck der wissenschaftlichen Zeitschrift der
Friedrich-Schiller-Universität, Jena, Jg. 3 (1953), H. 4/5.

Vgl. dazu u. a. die im Weimarer Neuen Teutschen Merkur 1802-1808 größtenteils von Karl
Georg Rumy über das Königreich Ungarn verfassten Zeitschriftenberichte auf rund 450 Seiten
(siehe Schnittpunkte, Bd. 1, Kap. XI, S. 255-287) sowie zeitgenössische Monographien, wie
z. B. [Glatz, Jacob:] Freymüthige Bemerkungen eines Ungars über sein Vaterland. Auf einer
Reise durch einige Ungarische Provinzen. Teutschland: [Ettinger], 1799, 348 S. (Siehe Schnitt¬
punkte, Bd. 1, S.28 f, 34 f, 39, 120, 180, 238 f, 244 f, 260) u. Berzeviczy, Gregor von: Ungarns
Industrie und Commerz. 1. Aufl. In: Neue Zeitung für Kaufleute, Fabrikanten und Manufak¬
turisten. Hg. v. J. A. Hildt. Weimar: 1802, Nr. 19-29. 2. Aufl. gedruckt und verlegt in Weimar
bey den Gebrüdern Gädicke, 1802, 141 S. (Siehe Schnittpunkte, Bd. 1, S. 34 f, 120, 247-249,
299).

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