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DIE FRIEDENSBOTSCHAET DES MIKLÓS RADNÓTI — DEUTSCH

doch gibt’s auch Bauern ohne Schuld, Dichter, und zart beschirmt
den Säugling, von dem ersten Anhauch der Vernunft gefirmt,

sie keimt in ihm, er hütet sie in finstern Kellern treu

bis einst der Friede unserm Land sein Zeichen prägt aufs neu

und hell die neue Jugend spricht zum grabentstiegnen Volke.
Breit deine Schwingen über uns wachende dunkle Wolke!

Mit genauer Sicht und einmaligem Einfühlungsvermögen wird auch die Selbst¬
entstellung des Menschen dargestellt, der mit dem Zerstören gleichzeitig in
sich seine zum Besseren geborene Menschlichkeit zerstört und zertrümmert,
indem Radnöti in der Zweiten Ekloge'* den Kampfflieger sprechen lässt:

Flieg ich, drängt es zur Erde mich, gelandet reißt mich’s neu zum Flug,

die Welt hat keinen einz’gen Platz für mich, der sie in Trümmern schlug,
auch die Maschine, es ist wahr, sie wuchs mir schon zu sehr ins Herz,

ich weiß es wohl, denn sie wie mich quält gleicherweis der Takt der Schmerz,
doch all dies weißt du ja und schreibst es nieder, dass es jeder hört:

Als Mensch lebte auch ich dereinst, der jetzt nur Angst hat und zerstört [...]

Typisch für Radnöti ist auch in diesen Gedichten die detaillierte Darstellung der
Umwelt des Dichters, so wie er sie z. B. in Ich kann nicht wissen schilderte, wo ihm
alles, Natur, Mensch, Kultur, Gegenwärtiges und Vergangenes auf das Engste ver¬
traut ist. Diese Art detaillierte Vermittlung des Vertrautseins mit der persönli¬
chen Umgebung wirkt umso erschütternder, wenn sie — wie in der Siebenten Ek¬
loge'® — das Lager Heidenau dem Leser in greifbare Nähe bringt. Aber auch hier
versteht der Dichter durch wiederholte Aspektwechsel die Hochspannung polari¬
sierter Metaphern zu entladen und kathartische Harmonieempfindungen vom
Frieden zu vermitteln. Mit der im Abendlicht und Traum halbwegs verschwom¬
menen Wirklichkeit des Lagers verwebt sich das Hell-Dunkel schimmernd auf¬
leuchtender Bilder: Bilder der Freiheit, der Natur, des friedlichen Zuhause:

Siehst du, der Abend naht, und der Stacheldraht rings und der wilde
Eichzaun und die Baracke, sie schweben hinein in sein Dämmern.
Langsam löst sich der Blick von unsrer Gefangenschaft Rahmen,

und der Verstand nur allein weiß noch um die Ladung des Drahtes.

Sieh auch die Phantasie gewinnt hier nur so ihre Freiheit,

unsern gebrochenen Leib löst der Schlaf, der schöne Befreier

und das Gefangenenlager schwebt nun, da die Nacht naht, nach Hause [...]

4 Ebd., [Második ecloga], S. 46-47.
15 Ebd., [Hetedik ecloga], S. 76-77.

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