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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

Denk daran: Revoltierst du, so kündet

dich der Mensch kommender junger Zeiten

und gibt Rechenschaft wetternder Gláubigkeit über dein Leben;
Rechenschaft gibt er und gibt seinem Sohn

weiter das Andenken deiner als Vorbild, ein kräftiger Baum,
um den der zarte Sproß sich emporranken kann.

Damit sah sich Radnöti als Dichter künftiger Zeiten, der mit seiner eigenen
Zeit trotz ihrer genauesten Bestandsaufnahme nichts gemein haben konnte
und wollte. Die Hinwendung zu den kommenden Generationen war die Schluss¬
folgerung aus der analytisch präzisen Auseinandersetzung mit der erlebten
Gegenwart. Die lapidare Summierung der Gegenwartserfahrungen war un¬
mittelbar vor der zukunftsorientierten Endkonsequenz desselben Gedichtes
frei von jeder Illusion: „Denn die Zeit beschmutzt dich!“

Trotzdem war aber die poetische Bestandsaufnahme dieser Gegenwart von
tief empfundenen Humanitätsideen genährt und bis auf ganz wenige Aus¬
nahmen stets durchdrungen vom sicheren Glauben an einen Frieden, der einst
aus einem menschenwürdigen Dasein erstehen wird. Diesen Frieden erhoffte
er von den „kommenden jungen Zeiten“, aber er versuchte diesen Frieden auch
in sich stets zu bewahren, wenn er sich in der Zeit des „Beschmutztseins“ zur
„Reinheit“ und „Unschuld“ bekannte. Und nach diesem inneren Frieden, dem
Frieden künftiger Zeiten, sehnte er sich, wenn er 1935 der „Welt, die sich um¬
stülpt, mit ihren Wölf- und Waffen“, den begehrten Wunsch, „in Frieden ein
Gültiges zu schreiben“, entgegensetzte und wenn er zwei Jahre später die
Worte niederschrieb:

Behüte und beschütz mich, weißer Schmerz,
schneefarbenes Bewusstsein, geh nicht fort,
und nie beruß die Angst, die flackernd brennt

mit ihrem braunen Qualm mein reines Wort.’

So wahr die Radnöti’sche Bestandsaufnahme der Gräuel des Nationalsozialis¬
mus und des Krieges auch ist, genauso aussagekräftig für die ganze Dichtung
ist auch folgendes Bekenntnis:

Mit Worten hell und immer mehr begeistert
sprach ich, leichtfüßger Friede, stets von dir!?

6 Radnöti, Miklös: Beim Schreiben [Iräs közben]. Ebd., S. 194-195.

7 Radnóti, Miklós: Behüte und beschütz mich [Örizz es vedj]. In: Ansichtskarten, S. 33.

® Radnöti, Miklös: Hymnus auf den Frieden [Himnusz a bekeröl]. Ebd., S. 35. (Hervorhebung
L.T)

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