Kossuths 'Ihesen untermauern mit besonderem Nachdruck die Meinung, dass
die Völker der mittleren Donau-Regionen ohne Ausnahme eng aufeinander
angewiesen seien. Dementsprechend sollte nach Gragger ihre Interessenge¬
meinschaft auch allgemein anerkannt und durch die Modernisierung ihrer
tradierten wirtschaftlichen, kulturellen und europapolitischen Zusammen¬
arbeit in einem effektiveren Maße als früher gefördert werden. Dass davon seit
Kriegsende praktisch überhaupt nichts realisiert wurde, sei nach Graggers
resignierter Kritik gleichfalls den hemmungslosen Entscheidungen der Sieger
zu verdanken gewesen sein: „Jetzt steht die Sache so, dass der Blutkreislauf des
großen Wirtschaftskörpers der ehemaligen Monarchie in allen Gliedern ab¬
geschnürt ist. Die verhängnisvollen Folgen zeigen sich überall in wirtschaft¬
lichen Störungen, am stärksten natürlich in den Großstädten und Industrie¬
zentren.“7!
Nach dem urspriinglichen Kossuth’schen Entwurf hatten durch den mo¬
dernen Staatenbund der Donaulander im Sinne der 1848/49er Erfahrungen
die Gefahren durch das habsburgische Österreich, die Türkei und das zaris¬
tische Russland eliminiert werden sollen,’” nach seinen Interpreten in den
ersten Nachkriegsjahren gegen die potenziellen Expansionsziele des Panslawis¬
mus und des Pangermanismus, und schließlich bei der historischen Modifi¬
zierung der Gefahrentendenzen zwischen den beiden Weltkriegen gegen die
Diktaturen des Nationalsozialismus und des Kommunismus (vgl. dazu Endre
Bajcsy-Zsilinszky).
Schließlich zogen sämtliche Kossuth-Interpretationen der Ungarn bei allen
ihren Unterschieden im Grunde genommen ohne Ausnahme mehr oder we¬
niger die Konsequenz: Alles was das Auseinanderstreben, die Feindseligkeiten,
den Hass in den Donauregionen fördert, habe seit eh und je nur der Verbreitung
der Armut und fremden Interessen gedient und in der Politik ebenfalls schon
immer die Souveränität aller Länder dieser Region geschwächt oder gar be¬
seitigt. Kossuth hinterließ seinen Nachfolgern (nicht nur in dem Konfödera¬
tionsplan, sondern auch in mehreren Reden, Studien und Briefen) die bittere
Erfahrung von 1848/49, als die Metternich’sche Politik die Vereinbarungen der
ungarischen Regierung und des Königs hinterging und mit der altbewährten
Despoten-Praxis des divide et impera unter den Nationen und Nationalitäten
fortwährend für Reibereien und Missverständnisse sorgte, Hass schürte, ja