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VERSUCH EINES PORTRATS DES ROBERT GRAGGER

deutende finanzkräftige Großindustrielle und Kapitalisten zu einem so genannten
„Teeam Kamin“ ein, die sich geehrt fühlten, Gäste eines Ministers sein zu dürfen,
die Unterhaltung wird auf jeden Fall angenehm und inhaltsvoll gewesen sein — aber
die Pointe kam zum Schluss: ein jeder wurde gebeten, der Gesellschaft der Freun¬
de des Ungarischen Instituts einen gewissen Beitrag zur Verfügung zu stellen. Wie
es hieß lag der Tarif bei fünftausend Mark, ein Neuling soll in seiner Ergriffenheit
einmal zehntausend offeriert haben.”®

Dem Institut schenkte Gragger seine umfangreiche Privatbibliothek und unter¬
nahm alles, um die ungarischen, später auch finnisch-ugrischen Bücherbe¬
stände kontinuierlich zu erweitern. Dazu erhielt er wichtige Sendungen aus
Ungarn und aus verschiedenen deutschen Bibliotheken. Er holte als Dauerleih¬
gabe einen Teil der besonders wertvollen Hallenser Ungarischen Bibliothek
nach Berlin, erwarb Bücher aus Finnland sowie kurz vor seinem Tode eine
ganze Reihe von Werken der finnougrischen und türkischen Literaturen aus
der Sowjetunion. Er erschloss für das Institut auch die Dokumente und Bücher
des ehemaligen Berliner Ungarischen Vereins (geschaffen noch im Reformzeit¬
alter, am Anfang der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts) und stellte damit
die kurz zuvor gegründete Berliner Hungarologie in die Folge der ungarischen
kulturhistorischen Traditionen in der deutschen Hauptstadt.

Als Gragger verstarb, umfasste die Bibliothek bereits rund 22.000 Bände.
Gleichzeitig wurde auch für ihre kontinuierliche Bestandsentwicklung gesorgt.
Der gegenwärtige Bestand der Bibliothek beläuft sich bereits auf rund 58.000
Bände.” Somit wurde Graggers hungarologische Spezialbibliothek die um¬
fangreichste außerhalb der finnisch-ugrischen Sprachgebiete. Sie enthält auch
seltene Drucke und Handschriften, die ausschließlich in Berlin zugänglich
sind.

„Institut“ und „Collegium“ im kulturpolitischen Dienst
hungarologischer Studien, Forschungen und Weiterbildung für
Deutsche und Ungarn

Gragger verstand in seinen Berliner Jahren (1916-1926) seine wissenschaftli¬
chen, wissenschaftsorganisatorischen sowie hochschulpädagogischen Aktivi¬
täten äußerst intensiv den kulturpolitischen Interessen Ungarns unterzuord¬
nen. Bereits im Herbst 1917 betonte er in seiner Rede bei der Gründungssitzung
des Instituts u. a. Folgendes:

?° Barta, Jänos: Erinnerungen an Gragger. In: Berliner Beiträge zu Hungarologie. Berlin / Buda¬
pest: 1988, Bd. 3, S. 12 f.
” Angabe vom November 1987.