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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

Beöthy Impulse. Ebenso hinterließen die damals noch jungen Lehrer am
Eötvös-Kollegium, so z. B. der Linguist Zoltan Gombocz und der Literatur¬
historiker Janos Horvath, die später für die Entwicklung der ungarischen
Sprach- und Literaturwissenschaft maßgebend wurden, ihre Spuren im wis¬
senschaftlichen Weltbild sowie in der späteren Forschungsmethode Graggers.

Beeinflusst von diesen Lehrern, in der geistigen Atmosphäre des Eötvös¬
Kollegiums widmete er sich von Anfang an mit voller Energie seinem Studium.
Kurz nach dessen Beginn schrieb er bereits Anfang November 1905 an die
Mutter: „Ich bin jetzt außerordentlich beschäftigt, denn ich bereite mich zu
den Colloquien vor. Und so bin ich immer in der Bibliothek und studiere.“!°

Wie ernst er es mit diesen Studien meinte, belegt für uns die erste umfang¬
reiche germanistische Seminararbeit aus dem Gragger-Nachlass über Schillers
Der Gang nach dem Eisenhammer. Sie ist mit dem 13. Dezember 1905 datiert.'”
Die vergleichende Quellenerschließung darin weist eindeutig auf die starke
Wirkung von Gusztäv Heinrichs deutschen Balladenanalysen um die Jahr¬
hundertwende hin.

Gewiss ist es diesem außerordentlichen Fleiß zu verdanken, dass der stren¬
ge Géza Bartoniek — von den wenigen heute noch lebenden ehemaligen Kol¬
legisten jeweils als „Herr B. G.“ apostrophiert -, der Graggers besondere geis¬
tige und charakterliche Anlagen alsbald erkannte, dem jungen Mann von den
ersten Monaten an gewogen war. Dieser „sehr liebe Mensch“, wie Gragger über
ihn schrieb, lud ihn mehrmals in seine Familie ein und besorgte ihm später
die Unterstützung zu Studienreisen nach Paris, München (hier hörte er u.a.
Vorlesungen bei Hermann Paul), Straßburg und Halle.

Der Studienfleiß trug alsbald Früchte: Der erste Aufsatz erschien bereits
1907. Seinen germanistischen und komparatistischen Interessen entsprechend
beschäftigte sich der erst zwanzigjährige Student darin mit hypothetisch an¬
genommenen genetischen Beziehungen und typologischen Parallelen zwischen
der deutschen und der arabischen Literatur.'* Außerdem veröffentlichte er
ebenfalls noch während der Studienzeit eine ganze Reihe anderer erster For¬
schungsergebnisse sowie Rezensionen!” und krönte schließlich die vier Jahre

16 Veröffentlicht v. Bessenyei, S. 56.

7 In: Gragger, Robert: Szeminäriumi dolgozataim [Meine Seminararbeiten]. Handschrift im
Gragger-Archiv der Fachbibliothek Finnougristik an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Gragger, Robert: Schiller „Bürgschaft“-janak tárgya arab népmesében. In: Egyetemes Philo¬
logiai Közlöny [Allgemeine Philologische Mitteilungen], Budapest: 1907, S. 268-270. Dassel¬
be deutsch: Eine arabische Gestalt der Bürgschaftssage. In: Zeitschrift für vergleichende Li¬
teraturgeschichte. N. F. 1909, S. 123-126. Nach der Kritik v. Gusztäv Heinrich folgte Graggers
ausführliche Neubearbeitung unter dem Titel „Schiller Bürgschaftjänak forräsai és rokonai"
[Schillers Bürgschaft, ihre Quellen und Parallelen]. In: Egyetemes Philologiai Közlöny [All¬
gemeine Philologische Mitteilungen], Budapest: 1911, S. 3-20.

Titel und bibliographische Angaben dieser Aufsätze siehe in Bibliographie Graggeriana (1907¬
1909), S. 25-32.

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