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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

garologie und Finnougristik erinnert. Ich denke dabei weniger an den Grag¬
ger’schen Grundstock der Bibliothek oder an seine immer noch zugänglichen,
zum Teil unveröffentlichten Manuskripte? bzw. an eigenhändige Randbemer¬
kungen in manchen seiner Bücher, die den Leser, falls er das Glück hat, auf sie
zu stoßen, auch heute noch anzuregen vermögen.*

Genius loci — und die Ausstrahlung des Gragger’schen CEuvre

Ich denke vielmehr an die bis heute erhalten gebliebene produktive Offenheit
dieser Forschungsstätte — mag sie im Laufe ihrer Geschichte Institut, Seminar,
Lehrstuhl oder Fachgebiet heißen oder geheißen haben - an ihre stets leben¬
dige Bereitschaft, zu Dichtern und Schriftstellern, zu in- und ausländischen
Wissenschaftlern, zu Verlegern und Kulturpolitikern sowie zu allen an Kennt¬
nissen über Ungarns Geschichte und Gegenwart interessierten Einzelpersonen
und Institutionen in Beziehung zu treten, mit einem Wort an ihre niemals und
in keiner Weise introvertierte, sondern gegenwartsoffene, gleichzeitig traditi¬
onsbewusste wissenschaftliche und kulturelle wie auch kollegiale Atmosphäre.

Robert Graggers Geist ist aber nicht nur darin und nicht nur aus dem heu¬
tigen Anlass lebendig. Immer wieder begegnet man seiner Ausstrahlung auch
außerhalb seines ehemaligen Instituts. In der neueren Zeit knüpfen germanis¬
tische Arbeiten (z. B. über die Literatur des Vormärz),° hungarologische
Neuentdeckungen (z. B. über die Entstehungsgeschichte der Altungarischen
Marienklage,® des ersten erhalten gebliebenen ungarischen Gedichtes) direkt
an Resultate und Entdeckungen Robert Graggers an. Unter Linguisten erweckt
noch heute seine Abhandlung zu Humboldts Ansichten über die ungarische
Sprache Interesse.” Während der Feierlichkeiten in den Goethejahren 1974
und 1982 begegnete man in Ungarn immer wieder Graggers historischem Werk

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Siehe vor allem die Manuskripte der öffentlichen Vorträge im Gragger-Nachlass der Fachbib¬
liothek Finnougristik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Diese wurden von Paul Kärpäti
später (ab 1988) in den Bänden der BBH veröffentlicht. Siehe am Ende dieses Kapitels die
„Liste der v. Paul Kärpäti hg. Manuskripte“.

Siehe das folgende Kapitel unter dem Titel „Aus dem Gragger-Nachlass. Marginalien in einem
Gedichtband von János Kis."

Gragger, Robert: , Beck Károly és a német politikai költészet" [Karl Beck und die deutsche
politische Dichtung]. Budapest: 1909, 82 S. Philologiai dolgozatok a magyar—német érintke¬
zesekröl [Philologische Arbeiten aus den ungarisch-deutschen Beziehungen]. Red. v. R. G.
Budapest: 1912. Vgl. dazu Mädl, Antal: Politische Dichtung in Österreich 1830-1848. Budapest:
Akademia Kiadö, 1969, 358 S.

Gragger, Robert: Eine altungarische Marienklage. In: Ungarische Jahrbücher, 1923, Bd. 3, S.
27-46. Vgl. dazu: Vizkelety, Andräs: Mi van a ködexben? [Was enthält der Kodex?] In: Elet és
Irodalom, 1983, Bd. 27, Nr. 8, S. 5. , Világ világa, virágnak virága" (Ómagyar Mária-siralom).
Hg. u. kommentiert v. András Vizkelety. Budapest: Európa Könyvkiadó, 1986, 75 S.

Gragger, Robert: Zur Geschichte der ugro-finnischen Sprachwissenschaft. I. Wilhelm von
Humboldt. In: Ungarische Jahrbücher, 1924, Bd. 4, S. 27-40.

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