Versucht man ihm durch eine Bilanz seiner großen wissenschaftsorganisato¬
rischen Erfolge und wissenschaftlichen Resultate näher zu kommen, so will
man nicht glauben, dass dieses erstaunlich produktive Leben nur knapp 39
Jahre währte. Es ist bekannt, dass die Ergebnisse seiner Arbeit nicht allein an
Publikationen zu messen sind, und doch ist allein schon der Umfang der Biblio¬
graphia Graggeriana überwältigend. Sie umfasst 138 Titel, von denen drei, die
Ungarischen Jahrbücher (1921-1926), die Bibliographia Hungariae (1923-1927)
sowie die Ungarische Bibliothek (1919-1927) mit rund 20 Bänden die weit
verzweigte wissenschaftsorganisatorische, hochschulerzieherische und edito¬
rische Tätigkeit des letzten Lebensjahrzehnts Robert Graggers dokumentieren.
Dringt man in dieses Werk ein, so wird man von der Komplexität seiner
Gedankengänge und von der Tiefe und Konsequenz seiner Thesen zur deut¬
schen und ungarischen sowie zur komparatistischen Literaturwissenschaft,
zur Kulturgeschichte, ja sogar zur Sprachwissenschaft immer wieder über¬
rascht. Der größte Teil seiner Publikationen wirkt heute, bereits sechzig bis
achtzig Jahre nach ihrer ersten Veröffentlichung frischer und anregender als
viele Arbeiten der Gegenwart. Und was hat sich nicht seither an den Forschungs¬
zielen, Grundauffassungen und Methoden geändert! Nur bei wenigen seiner
prominenten Zeitgenossen von einst fühlt sich der Wissenschaftler heute noch
verpflichtet, ihre Gedanken wieder aufzugreifen.
Graggers Werke, seine Schriften und sein Geist leben dagegen mit und
unter uns, als ob sie erst vor Kurzem entstanden wären, und es wird seiner
keineswegs nur heute, anlässlich der hundertsten Wiederkehr seines Geburts¬
tages, und nur hier, im engen Kreis der Berliner Hungarologen und Finno¬
ugristen, gedacht, wo so vieles an den unvergesslichen Begründer dieses
bedeutenden Forschungs- und Informationszentrums der ausländischen Hun¬
! Der ursprüngliche Text dieses „Versuchs“ wurde anlässlich des Gragger-Centenariums am
4. November 1987 in Berlin vorgetragen. Er erschien unverändert in den Berliner Beiträgen
zur Hungarologie [künftig: BBH] Bd. 3, Berlin, 1988, S. 15-38. In vorliegender Fassung wurde
er u.a. mit manchen Passagen aus den damals gleichzeitig veröffentlichten Erinnerungen von
Janos Barta (siehe Anm. Nr. 26) und mit seither publizierten Forschungsergebnissen
v. M. Schneider (siehe Anm. Nr. 25) sowie mit meinen Notizen zu einem Tagungsbeitrag über
R. Gragger in den mittneunziger Jahren in Wien, schließlich mit neuen Informationen in zwei
Kapitelteilen im Anschluss an das Kap. „Tagespolitischer Exkurs“ (S. 192-199 und Anm.
Nr. 45 und 65) ergänzt.
? Bibliographie Graggeriana. In: Ungarische Jahrbücher, 1927, Bd. 7, S. 25-32.