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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE tes Verb,? nur mit der Bildersprache der Poesie skizziert, sowohl als eine Reihe verspielter, mit Humor leicht übertriebener metaphorischer Antonyme zu den ,,Siinden“ wie gleichzeitig auch als lustige Bilder zu dem Ernst der Aussage in der vorangehenden Strophe. Schließlich ist das Gedicht an sich auch nichts Weiteres als ein „geselliges Lied“ für das schon erwähnte Weimarer Mittwochkränzchen: Dem Philister allzumal Wohlgemut zu schnippen, Jenen Perlenschaum des Weins Nicht nur flach zu nippen, Nicht zu liebeln leis mit Augen, Sondern fest uns anzusaugen An geliebte Lippen. Wenn dann gleichzeitig in einem ähnlichen Lied an den gemütlichen Freundeskreis auf die Verse „Wundert euch, ihr Freunde, nicht, / Wie ich mich gebärde“ die Worte „Wirklich ist es allerliebst / Auf der lieben Erde“ reimen‘*, dürfen gewiss alle Adressaten der poetischen Botschaft (die Leser in der Gegenwart miteinbegriffen) der Meinung sein, dass die Beziehungen des Verfassers zu der jeweiligen „Wirklichkeit“ (zu der Welt und zu der Zeit, in denen er zu leben hat) in höchstem Maße ausgewogen seien oder zumindest als solche erstrebenswert sein müssten, dass ein derart positives Verhältnis zur Welt überhaupt schon an die Grenzen des real Möglichen stößt, bzw. dass es noch „realer“, als Goethe dies im Februar 1802 in diesen zwei Versen in Worte fasste, gar nicht gehen könne. Zeit und Umwelt verändern sich. Das positive und das negative Verhältnis dazu trenne voneinander ausschließlich, ob man bereit sei, mit den Wandlungen der Realität auch sich laufend zu verändern. Goethe ließ diese seine Überzeugung u.a. bereits in seinem Neujahrslied von 1801,°° in einem der ersten „Kränzchen“-Lieder, poetisch nachempfinden: Andere schauen Deckende Falten Über dem Alten Traurig und scheu; ® Im Grunde genommen besteht diese 6. Strophe aus 4 Infinitivsätzen zum vorangehenden Text der 5. Strophe. 84 Goethe: Tischlied (es entstand wie „Generalbeichte“ im Februar 1802), Berliner Ausgabe, Bd. 1, S. 85 f. (Hervorhebung L. T.) 85 Goethe: Zum neuen Jahr (entstanden 1801, erschienen 1802), ebd., S. 75 f. (Hervorhebung L. T.) + 168 +