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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

das , Festspiel" Paláofron und Neoterpe," als einleitendes Stück des ersten
Bandes mit seinem Namen veröffentlichen ließ und keinen Grund gehabt
hätte, seine Verfasserschaft einige Seiten später zu verheimlichen. Außerdem
sind Abkürzungen wie das „E.“ unter diesem Gedicht und ebenda unter zwei
anderen!! sowie später auch solche wie „K.“, „Lr.“ und „S.“ unter den jeweiligen
poetischen Beiträgen!” diesmal keine eigentlichen Pseudonyme. Sie sind hier
jeweils als eindeutige Hinweise auf die entsprechenden Titelblätter der beiden
Bände zu verstehen, auf denen, wahrscheinlich um für den Absatz der Antho¬
logie mit den „größtentheils [...] Weimarischen Gelehrten“ zu werben, sämt¬
liche nicht anonymen Autoren in alphabetischer Ordnung aufgezählt wurden.
So gibt es keinen Zweifel, dass mit „Lr.“ auf Lütkemüller, mit „K.“ auf Karl
Ludwig Knebel, mit „S.“ auf Franz Karl Leopold Seckendorf!? verwiesen wur¬
de, wie auch der mit „E.“ unterzeichnende Verfasser der Raschen Lebensweise
der Weimarer Kammerherr Friedrich Hildebrand von Einsiedel (1750-1828)
war, der wenige Monate nach der Veröffentlichung dieses Gedichtes zum Ge¬
heimen Rat avancierte, im Jahre 1817 das Amt des ersten Präsidenten des
Oberappellationsgerichtes in Jena bekleidete und seinerzeit in Schriftsteller¬
kreisen des Herzogtums auch als Dichter und Nachdichter anerkannt war.
Goethe zählte Einsiedel spätestens seit 1790 zu seinen „Freunden“, im Erschei¬
nungsjahr der zweibändigen Anthologie — wie er sich 1801 ausdrückte — neben
Herder und Schiller sogar zu seinen „nächsten Freunden‘“,!* und nichts spricht
dafür, dass sich diese engen Beziehungen später geändert hätten.

Umso kritischer war Goethes Verhältnis um 1800 zu seiner eigenen Genie¬
dichtung aus den siebziger Jahren. Es ist bekannt, wie Goethe von seiner Über¬
siedlung nach Weimar bis zu den großen frühklassischen Weltanschauungs¬
gedichten zwischen 1778 und 1783 in der poetischen Praxis die früheren
Geniegebärden Schritt für Schritt aufgab,'° wie deutlich er bereits in den
ausgehenden siebziger Jahren - u. a. in der zweiten Strophe der Grenzen der
Menschheit — das unlängst vertretene Ideal des uneingeschränkten „götter¬
gleichen“'° Handelns ablehnte, in welchem Maße er sich zehn Jahre später in
seinem Tasso von der Werther’schen Geniehaltung distanzierte, welches Urteil

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Goethe, Johann Wolfgang: Paláofron und Neoterpe. Ein Festspiel zur Feier des 24. Oktobers
1800. In: Kleine Schriften, Bd. 1, S. III-XXXVI.

Ebd., S. 111-116.

Ebd., Bd. 2, S. 57-78, 248-262, 263-277.

Laut Titelblatt des zweiten Bandes gibt es zwar ebenda auch andere Autoren mit dem An¬
fangsbuchstaben ‚S‘, doch wurden diese mit der Ausnahme von F. K. L. Seckendorf auch bei
den jeweiligen Beiträgen ohne Abkürzung mitgeteilt.

Goethe, Johann Wolfgang: Tag- und Jahreshefte. In: Goethes Poetische Werke. Bd. 15. Berlin
/ Weimar: Aufbau-Verlag, 1964, S. 15 u. 66. (= Berliner Ausgabe)

Vgl. dazu Kap. „»Du hast für uns das rechte Maß getroffen« — Goethes Lyrik am Anfang des
ersten Weimarer Jahrzehnts“ in diesem Band.

16 Siehe in „Des Wandrers Sturmlied“ aus dem Jahre 1772.

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