OCR Output

SCHILLERS RAUBERLIED UND SEINE VARIANTEN AUF FLIEGENDEN BLATTERN

[3.]

Wir kämpfen nicht fiir schndden Sold
in einem fremden Heere:

nein uns vereint ein heil’ges Band,
wir kampfen fiir das Vaterland

und unsers Königs Ehre.

Auch im dritten Band der Sammlung von Erk und Böhme gibt es unter dem
Titel Die schwere Reiterei ein Lied, in dem noch die Flugblattvariante des
Räuberliedes pulsiert. Laut Anmerkungen der Herausgeber war es mit Text
und Melodie erst 1845 aufgezeichnet worden. Aus dieser leicht zugänglichen
Variante sei hier nur die erste Strophe zitiert:

Ein freies Leben führen wir,”

ein Leben voller Wonne.

Es blitzt und glänzt der Kürassier
in seines Panzers Rüst und Zier,

schön wie die blanke Sonne.

Es ist charakteristisch, dass die zwei Schiller-Verse, mit denen Typ I anhob,
etwa ein halbes Jahrhundert nach der Entstehung der ersten Flugblattvarian¬
ten noch immer so produktiv weiterlebten und sogar noch das letzte Reimwort
mit dem des Schiller-Gedichtes und seiner verbotenen Variante übereinstimm¬
te. Bei Erk/Böhme ist auch die Melodie angegeben: Es besteht kein Zweifel,
dass sie eine variierte Melodie des von Studenten schon seit jeher gesungenen
Gaudeamus igitur ist. Im gleichen Band sind an einer anderen Stelle auch die
ersten drei Strophen des Flugblattliedes von Typ I ebenfalls mit einer Melodie¬
variante des Gaudeamus-Liedes zu finden.’ Dass man das Räuberlied bzw.
seine Varianten auf fliegenden Blättern und im Volksmunde nach dieser Me¬
lodie sang (oder wenigstens auch nach ihr), ist von Bedeutung, weil es die
Begründung untermauert, dass Studenten bei seiner Verbreitung entscheidend
mitgewirkt haben. Auf die Begeisterung der Studenten für das Schiller-Drama
hatte ja auch Goethe hingewiesen.?' Meiner Vermutung nach waren aber die

”® Deutscher Liederhort. Auswahl der vorzüglicheren deutschen Volkslieder. Hg. v. Erk, Ludwig
u. nach Erks Nachlass v. Franz. M. Böhme. Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1894. Bd. 3, Nr. 1372,
S. 241 f.

30 Vel. dazu ebd., die Gaudeamus-Variationen unter dem Titel ,De brevitate“. Nr. 1688/A-E. S.
488-492. Davon trägt die E-Variante den Titel „Räuberlied von Fr. Schiller 1781“, was nicht
genau stimmt, weil darunter bereits die drei Strophen des ersten umgearbeiteten und ver¬
botenen Flugblattliedtyps zu lesen sind. Es ist auch unverständlich, wieso der so genaue L.
Erk und der später dessen Werk neubearbeitende F. M. Böhme die inhaltlichen und vor allem
die melodischen Zusammenhänge zwischen dem Flugblattlied und dem Reiterlied nicht re¬
gistriert haben.

®1 Goethe, J. W.: Erlebnisse und Begegnungen. Berliner Ausgabe, Bd. 16, S. 402.

+ 107 «