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SCHILLERS RAUBERLIED UND SEINE VARIANTEN AUF FLIEGENDEN BLATTERN

ohne Zweifel an der Spitze aller Editionen auf Flugblättern. Somit gehörten
Schubarts Kaplied und Schillers Räuberlied zu den größten Erfolgen, zu den
echten Schlagern ihrer Zeit

Die Aufnahmebereitschaft für Schillers Räuberlied hängt gewiss mit dem
nachhaltigen Erfolg der Räuber und dem grenzenlosen Beifall zusammen, der
noch zwischen 1788 und 1794 dem Schiller-Drama von allen Seiten, ebenso
„von wilden Studenten als von der gebildeten Hofdam [...] gezollt ward“? — wie
Goethe darüber berichtete. Das in der Flugblattliteratur rasch verbreitete
Räuberlied erschien im Drama eingangs der 5. Szene des 4. Aktes in den ers¬
ten beiden Ausgaben von 1781 und 1782 sowie ebenfalls 1782 in dem Band Die
Gesänge aus dem Schauspiel die Räuber von Friedrich Schiller, der die von
Johann Rudolf Zumsteeg, dem ehemaligen Mitschüler des Dichters, vertonte
Fassung enthielt. In welchem Maße erfolgreiche Aufführungen die erneute
und meistens variierte Veröffentlichung der Lieder auf fliegenden Blättern
stimulierten, das lässt sich unter anderem durch die vielen Varianten der
Singspielarien von Christian Felix Weiße, ja sogar der lustigen Papageno-Lie¬
der von Johann Emmanuel Schikaneder veranschaulichen. Gewiss förderte
auch der Erfolg des Schiller-Dramas den einmaligen Triumphzug des Räuber¬
liedes in der Flugblattliteratur, wenn es auch in der ersten Bühnenbearbeitung
für das Mannheimer Theater auf Initiative von Dalberg mit allen anderen
Liedern der Räuber gestrichen wurde. Doch weckte das Drama überall großes
Interesse. Man war auch sicher gerne bereit, dem auf der Bühne Erlebten in
den ersten zwei Ausgaben wieder zu begegnen und das bereits gelesene oder
eventuell in späteren Theateraufführungen gehörte Räuberlied in die Flug¬
blattheftchen aufzunehmen.

In dem Moment aber, als das Räuberlied in einem Flugblatt das erste Mal
gedruckt wurde, begann es ein selbstständiges und von dem Drama unabhän¬
giges Leben zu führen.

Die dramaturgische Funktion des Liedes gegen Ende des 4. Aktes des Dra¬
mas war ja ganz eindeutig: Gesungen von den Räubern, sollte der Text die
Distanzierung des Verfassers von den moralisch-sittlich verkommenen Spie¬
gelbergleuten untermauern und gleichzeitig damit die Überzeugung verdeut¬
lichen, dass das asoziale Räuberleben notwendigerweise in ein entsetzlich
antihumanes Leben mündet, von dem letzten Endes auch der dramatische
Held nicht frei bleiben konnte. Somit diente das Lied neben Charakterzeich¬
nung und Handlungsführung auch indirekt der Vorbereitung des Zuschauers
auf das kathartisch wirkende tragische Ende des Helden im folgenden Akt.

5 Goethe: Erlebnisse und Begegnungen. Erste Begegnung mit Schiller. 1794. Goethe, Berliner
Ausgabe, Bd. 16, S. 402.

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