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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE Das Schiller-Lied Im Garten erschien mit Noten in der Musikblatt-Beilage Nr. 4. des am 20. April 1802 veröffentlichten 47. Heftes der Zeitung für die elegante Welt. Als Komponist wurde darin Zelter angegeben. Bemerkenswert ist es schon deswegen, weil es dieses Schiller-Gedicht mit diesem Titel, dieser Strophenanordnung, ja mit diesen freien Stropheneinschüben (mit zwei von mir nirgends identifizierten Vierzeilern als Strophe 3 und 5) — wenigstens nach den gängigen Schiller-Ausgaben — gar nicht gibt. Dabei dürfte es seinerzeit von einem wesentlich breiteren Publikum aufgenommen worden sein als Die Erwartung? und Das Geheimnis‘, deren kompilierte Variante es im Grunde genommen ist. Bereits Goedeke und Kürschner” tradierten der Schiller-Literatur den Gedanken von einer mehr oder weniger geschlossenen romantischen Gruppe der Schiller-Lyrik vor der Jahrhundertwende mit zum Teil nachweisbarer Mittelalter-Orientierung.° Sicher können außer den seit Goedeke und Kürschner wiederholt genannten Gedichten wie Das Geheimnis, Elegie. An Emma, Die Erwartung, und Begegnung auch manche andere dieser Gruppe zugeordnet werden. So dürften auch Balladen wie Der Kampf mit dem Drachen und Ritter Toggenburg und aus den letzten Gedichten z. B. Der Pilger gewiss nicht nur wegen deren Mittelalter-Ihematik als Belege für die zunehmende Offenheit des Dichters für Romantisches interpretiert werden. Romantische Divergenzen von einem „klassisch“ abgesteckten belletristischen Programm, wie dieses wenigstens vom Sommer 1794 im Rahmen der Anfänge der intensiven Zusammenarbeit mit Goethe hätte anlaufen sollen, werden in Schillers Kunstpraxis um und vor allem nach 1800 ganz selbstverständlich, als sich intertextuelle Beziehungen sowie gehalts- und formtypologische Parallelitäten zwischen den poetischen Leistungen Schillers und den verschiedensten romantischen Zeitgenossen immer deutlicher abzeichnen’ Die Begriffe „Romantik“ und „romantisch“ sollen dabei diesmal so breit wie möglich aufgefasst werden, ohne Rücksicht auf deren individuelle oder zeit- bzw. gruppenbedingte Unterschiede. Mit w Entstanden von 1796 bis September 1799, erschienen 1800. Siehe in: SWN, Bd. 2. Teil II B. Hg. v. Georg Kurscheidt und Norbert Oellers. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1993, S. 149. Entstanden vermutlich im August 1797, erschienen 1798. Siehe in: SWN, Bd. 2. Teil II A, 1991, S. 636. Deutsche National-Litteratur. Historisch kritische Ausgabe. Hg. v. Joseph Kürschner. Bd. 118. Schillers Werke. Bd. 1. Berlin und Stuttgart: Verlag v. W. Spemann, o. J., S. 9. Darin Zitate v. Goedeke. Siehe z. B. die Anmerkungen zu „Das Geheimnis“ in: Friedrich Schiller: Gedichte. Hg. v. Georg Kurscheidt. [Frankfurt am Main:] Deutscher Klassiker Verlag, [1992], S. 848. Sowie in: SWN, Bd. 2. Teil II A, S. 637. u. ebenda zu „Die Begegnung“ S. 641 f. Seit Goedeke stellte man u.a. wiederholt auch die Hypothese von Bruchstücken eines in den neunziger Jahren von Schiller geplanten romantischen Epos auf. Siehe dazu auch Schillers Sämtliche Werke. Säkularausgabe. Bd. 1. Stuttgart / Berlin: Cotta [1905], S. 356. Siehe in diesem Band Kap. „Schillers letzte Gedichte im Kontext zeitgenössischer deutscher Lyrik“. > u a a « 74 6