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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süßer Friede,

Komm, ach komm in meine Brust!

Im ersten Ausrufesatz „Ach, ich bin des Treibens müde!“ wiederholt sich das
Motiv des notwendigen Verzichtes auf das bereits fragwürdig gewordene fort¬
währende „Treiben“ wie in Erinnerung („Wills du immer weiter schweifen?“
sowie sogar in der vierten Frage der Beherzigung: „Ist es besser sich zu trei¬
ben?“). Der für die Anfänge der präklassischen Dichtung Goethes so typischen
unschlüssigen Fragestellung „Was soll all der Schmerz und Lust?“ folgt aber
diesmal der neue Ausrufesatz „Süßer Friede, / Komm, ach komm in meine
Brust!“ mit Hervorhebung des „süßen Friedens“, dessen besonderer Stellenwert
als Kern des ganzen Gedichtes mit einem selbstständigen kurzen Vers extra
betont wurde.

Die Spannung zwischen sinnlosem Taten- und Bewegungsdrang und dem
Gedanken des ersehnten inneren Ausgleichs des Menschen enthält auch die
abschließende Antithese im Gedicht Jägers Nachtlied, wie das die dritte und
die vierte Strophe veranschaulichen:

Des Menschen, der in aller Welt
Nie findet Ruh noch Rast,
Dem wie zu Hause so im Feld

Sein Herze schwillt zur Last.

Mir ist es, denk ich nur an dich,
Als säh den Mond ich an;
Ein stiller Frieden kommt auf mich

Weiß nicht, wie mir getan.‘

Es ist auffallend, dass man in der dritten Strophe erneut dem alliterierenden
Wortpaar „Ruh“ und „Rast“ begegnet.” Sein Stellenwert in diesem Gedicht
und in Rastloser Liebe ist aber grundverschieden. Mochten zwar im letzteren
die unschlüssigen Fragen sowie die kompliziert verwickelten Beziehungen der

35 Ebd., S. 68. (Hervorhebungen L. T.)

3° Goethe, Berliner Ausgabe, Bd. 2, S. 569 f. (Hervorhebung L. T.) Das Gedicht wurde unter dem
Titel „Jägers Abendlied“ 1789, für den 8. Band der ersten Werkausgabe stark umgearbeitet.
Siehe Berliner Ausgabe, Bd. 1, S. 69.

”” Siehe „Rastlose Liebe“, ebd., S. 58 f. u. vgl. dazu auch die 6. Strophe der 2. Fassung von „An
den Mond“, ebd., S. 70.

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