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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE

Die Welt — teuflisch böse und hoffärtig (A)

In der Dichtung echter Künstler des deutschen 17. Jahrhunderts war der ba¬
rocke Pessimismus mit allen dessen inhaltlichen Merkmalen nie bloß forma¬
ler Ausdruck gängiger Modetrends jener Jahre. In Gryphius’ Sonetten war er
z. B. eindeutig in den verheerenden Wirkungen des grausamen Krieges in
Schlesien begründet. In den Liedern des Königsberger Simon Dach entfaltete
er sich aus dem Erlebnis des langsamen Dahinsiechens des todkranken Men¬
schen. Die trostlos verzweifelte düstere Stimmung der Lieder von 'Iheobald
Ho(e)ck wurzelte vor allem in seinen unvermeidbaren Beziehungen zu der
verlogenen und egoistischen politischen Elite, sowie im unmittelbaren Erleb¬
nis deren unberechenbarer Machenschaften. Somit verflechten sich in seiner
Poesie vor allem Spannungen sozialer, d. h. zwischenmenschlicher Art und
erschütternde Illusions- und Perspektivverluste im höfischen Leben mitein¬
ander zur verallgemeinerten Überzeugung, nach der in dieser Welt alles eitel
und bis auf den Tod aussichtslos sei.

Man sei, lebe und bleibe Theobald Ho(e)ck zufolge in dieser Welt für immer
allein, vollkommen isoliert, handelnd wie auch leidend stets nur auf sich ver¬
lassen. Der Eigennutz der einzelnen Menschen könne nämlich ausschließlich
„teuflische“ zwischenmenschliche Beziehungen herbeiführen. So kann nach
seinen Erfahrungen z. B. in dem Gedicht über die Freundschaft” nur folgender
Standpunkt vertreten werden:

Es ist kein Freundtschafft mehr auf Erdt /
Ein Mensch deß andern dheufel /

Vil mehr ist / jeder nur begert

Sein eygen nutz ohn zweyffel.

Dabei verallgemeinert er die eigene existenzielle Not sowie die persönlichen
Erfahrungen am Hof zur umfassenden Kritik sämtlicher menschlichen Be¬
ziehungen, durch und durch pessimistisch, da ja mangels aller Möglichkeiten
einer Korrektion das Unrecht stets Unrecht”? bleibt, jeder nur herrschen und
nicht arbeiten will,’ und immer nur die untauglichen Versager regieren, Kar¬
riere machen — zu jeder Korruption immer bereit:

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„Einen Freund zu probieren ehe man sein bedarff.“ In: Saarbrücker Ausgabe, S. 40.

2% „Von dem Gerichts Process.“ Ebd., S. 68-70.

30 „Mehr Herrn als Knecht auff der Welt.“ Ebd., S. 62-64.

3-6. Strophe. In: „Ein Armer kann jetzund zu keinem Ambt kommen“. Ebd., S. 80-81.

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