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POESIE TROSTLOSER VERZWEIFLUNG

Möglicherweise ist es auch besser so. Denn gedenkt man seiner irgendwo,
so wird meistens zwischen insgesamt drei bis vier Sátzen eine einzige (die
dritte) Strophe aus dem Gedicht Von Art der deutschen Poeterey zitiert, in
welcher der Wille zur Innovation der deutschen Poesie bekundet wird. Da
geht es aber kaum um Theobald Ho(e)ck, sondern eindeutig um die Einleitung
zu dem ein Vierteljahrhundert spater verfassten Buch von Martin Opitz.’
Allein der Titel des Ho(e)ck-Gedichtes ermutigt wohl dazu, die größere zwei¬
te Halfte der Uberschriften ist ja in beiden Fallen sogar identisch — auch das
ny am Ende, was allerdings, wie viele andere Merkwiirdigkeiten der Ho(e)ck’¬
schen Orthographie bzw. der angeblich „schlecht überlieferten Texte“ man¬
chen Autoren obendrein ein Dorn im Auge sein kann.'' Hinzu kommt dann
der mit Vorliebe zitierte Text des Gedichtes, der, wie es heißt, „schon durch
seine Unbeholfenheit“!? die Notwendigkeit des epochalen Werkes von Mar¬
tin Opitz verdeutliche. Mit anderen Worten leuchten also hier ausschlie߬
lich die Strahlen des später vom Palmenorden „Gekrönten“!? — wobei im scharf
durchzogenen stilistischen Kontrast des blendenden Clair-obscur umso mehr
Schatten auf den aus der Geschichte der deutschen Lyrik ausgeklammerten
pfälzisch-saarländischen deutschen Künstler fallen. Hätte man auch den
übrigen 13 Strophen die gebührende Aufmerksamkeit entgegengebracht, so
wäre eventuell auch aufgefallen, dass Ho(e)ck ebenda nicht nur von der Form¬
not der deutschsprachigen Lyrik im Allgemeinen berichtete, sondern wie
später sein Nachfolger in der rhythmischen Gliederung der Verse die der
deutschen Sprache geeignete Anwendung der „Pedes“ verlangte, ja dabei so¬
gar über Martin Opitzens Lehren hinaus auch das „Daktilum“ und sogar das
„Spondeum“ zu „rühren“ empfahl. Und Ho(e)ck bestand ebenda auch auf dem
mit dem geregelten Rhythmus zusammenhängenden harmonischen Gleich¬
klang der Reime, deren moderne Anordnung im 17. Jahrhundert gleichfalls

10 Vgl. dazu Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte. Bd. 3. Zwischen Gegenreformation und
Frühaufklärung: Späthumanismus und Barock. 1572-1740. Hg. v. Glaser, Horst Albert. Ham¬
burg: Rowohlt, 1985, S. 367. Siehe auch Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis
zur Gegenwart. 6., verbesserte u. erw. Aufl. Stuttgart / Weimar: Metzler, 2001, S. 109. Dem¬
entsprechend wurde auch das Textmaterial zusammengestellt. In: Das Zeitalter des Barock.
Texte und Zeugnisse. Hg. v. Schöne, Albrecht. München: C. H. Beck, 1963, 1113 S.

„Um Hock erfassen und würdigen zu können, müssen erst [...] Fragen geklärt werden: Welchen
Anteil an den schlecht überlieferten Texten hat die Offizin, in der sie gedruckt wurden?“ In:
Newald, Richard: Die deutsche Literatur vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit. 1570¬
1750. München: C. H. Beck, 1967, S. 42 f.

Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 6., verbesserte u. erw.
Aufl. Stuttgart / Weimar: Metzler, 2001, S. 109. Siehe auch Deutsche Literatur. Eine Sozial¬
geschichte. Bd. 3, S. 367. Für manche Leser der Gedichte von Th. Ho(e)ck in der Gegenwart
mögen Inkonsequenzen bei der Textbearbeitung tatsächlich vielleicht etwas irritierend, even¬
tuell sogar „unbeholfen“ wirken. Freilich dürfte daran außer der stilistisch-formalen Bahn¬
brecherposition des Dichters auch der Setzer der Druckerei bzw. der Herausgeber im deutsch¬
sprachigen Osten um Prag nicht ganz ohne Schuld sein.

12 Diesen Namen erhielt Opitz als zweihundertstes Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft.

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