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POESIE TROSTLOSER VERZWEIFLUNG:
THEOBALD HO(E)CK VON DER BOSHEIT DER WELT"

ZUGANGE ZUM DICHTER

Theobald Ho(e)ck — nach dem Anagramm auf dem Titelblatt seiner Gedichte
Othlebad Öckh - soll mit seinem Lyrikbuch „die erste gedruckte Liedsammlung
eines Dichters in der deutschen Literatur“ veröffentlicht haben.” Schon deswe¬
gen müsste ihm, zumindest im deutschen Sprachraum, besondere Aufmerk¬
samkeit entgegengebracht werden. Umso beachtenswerter ist darüber hinaus,
dass dieser Dichter, als erster in der Geschichte der deutschsprachigen Lyrik
der frühen Neuzeit, die damals geltenden modernsten Tendenzen der europäi¬
schen Poesie einheimisch zu machen versuchte und gleichzeitig in der Lage war,
die neue Formen- und Ideenwelt bei aller Anfänglichkeit des bislang unbekann¬
ten verbalen Ausdrucks auf eine höchst authentische Weise nachempfindbar zu
gestalten. Er schuf damit eine in der Geschichte der deutschen Literatur bis
dahin unbekannte lyrische Attitüde, die sich in den darauffolgenden 120 Jahren
mehr oder weniger in der ganzen Dichtung des deutschen Barock durchsetzte.

Seine merkwürdige Karriere führte ihn in den letzten Jahren des 16. Jahr¬
hunderts bis in das höfische Leben der kaiserlichen Residenz zu Prag und ab
der Jahrhundertwende, als seine Gedichte erschienen waren, auch in das Se¬
kretariat des Peter Wok von Rosenberg? im südböhmischen Krumau,? wo man
protestantische Interessen vertretend eben emsig daran arbeitete, die neuen,
sich fieberhaft verändernden politischen Verhältnisse in Deutschland mitzu¬
bestimmen. Demzufolge musste der 1602 geadelte Sekretär im Rosenberg’ischen
Dienst mehr oder weniger direkt beim Zustandebringen der Protestantischen
Union im Jahre 1608 seine Rolle gespielt haben.

Der Weg vom Geburtsort, dem verhältnismäßig kleinen Limbach bei Hom¬
burg (damals unter pfälzischer Hoheit) bis zur Kanzlei in Prag bzw. von der refor¬
mierten Klosterschule im naheliegenden Hornbach bis an den Krumauer Hof, wo
sich der bereits geadelte Theobald Ho(e)ck gleichzeitig fiir Weltpolitik und Weltli¬
teratur einsetzte, scheint unter den damaligen Verhältnissen nicht nur geogra¬

¬

Studie von 2009, verfasst in Saarbrücken, erschienen in „Zwischen-Bilanz. 20 Jahre Germa¬
nistik in Szombathely“, gewidmet dem Begründer und Leiter des Lehrstuhls für Germanistik,
Lajos Szalai. Szombathely: Savaria University Press, 2009, S. 269-284. (= Acta Germanistica
Savariensia, Bd. 11)

Geschichte der deutschen Literatur. 1600 bis 1700. Hg. u. verfasst von einem Autorenkollektiv.
Berlin: Volk und Wissen Verlag, 1962, S. 67.

Auf dem Titelblatt der Gedichte von Ho(e)ck sind Dienst (Sekretär) und Dienstherr (Rosenberg)
gleichfalls mit einem Anagramm verschlüsselt.

heute: Cesky Krumlov

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