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4. BEITRÄGE DER UNGARN ZU IHREM IMAGE UM 1800

Aus deinem Schädel trinken wir
Bald deinen süßen Wein.

Du Ungar! Unser Feldpanier
Soll solche Flasche sein.’

In den Jahrzehnten der Kolonialisierung Ungarns durch Österreich verlor
das Land an historischer und politischer Bedeutung, so fiel das frühere
Interesse bis zu einem absoluten Tiefpunkt zurück. Ihn widerspiegelt der
berühmte prophetische Satz Herders vom Verschwinden der Ungarn aus der
europäischen und aus der Weltgeschichte in den achtziger Jahren:

Da sind sie jetzt unter Slawen, Deutschen Walachen und anderen Völkern der
geringere Teil der Landeseinwohner, und nach Jahrhunderten wird man vielleicht

ihre Sprache kaum finden. *°

4. BEITRÄGE DER UNGARN ZU IHREM IMAGE UM 1800

Aber gerade um diese Zeit trat die sowohl quantitative als auch qualitative neue
Wende in der Geschichte der beiderseitigen kulturhistorischen Kontakte ein.
Deutsche und Ungarn wurden plötzlich offener denn je für das unaufhaltsam
gehaltene „Fortschreiten der Kultur“ des anderen. Für den größeren Teil
der Intellektuellen in Ungarn wurden die geistigen Errungenschaften der
westlichen Nachbarn zu Vorbildern und viele Deutsche erwogen bei allen mehr
oder weniger konstatierten sozialhistorischen Hindernissen im Königreich
Möglichkeiten für Entwicklungen in die Richtung seiner kulturellen und
wirtschaftlichen Eingliederung in ein alsbald umfassend aufgeklärtes Europa.

Der zu Erkennende (d. h. Ungarn) machte sich vom ausgehenden
achtzehnten Jahrhundert an immer deutlicher bemerkbar. Nach der
ungarischen Kulturgeschichtsschreibung setzte sich etwa vom letzten
Drittel des Jahrhunderts jene Entfaltung des geistigen Lebens im Königreich
ein, die zwar mit unterschiedlicher Intensität, jedoch im Gegensatz zu den
früheren Jahrhunderten bereits kontinuierlich, d. h. ohne einschneidende
Unterbrechungen bis zur Gegenwart währt, und deren vielversprechende
erste Resultate vor und nach 1800 auch von den westlichen Nachbarn nicht
mehr außer Acht gelassen werden konnten: Man denke dabei u. a. an die
landwirtschaftlichen Studien und praktischen Experimente des Samuel
Teschedik, an das Georgicon des Grafen György Festetics, an die Stiftung

5 Gleim, Johann Ludwig Wilhelm: Schlachtgesang bei der Eröffnung des Feldzuges 1757.

2° Herder, Johann Friedrich Gottfried: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit.
(In vier Teilen und zwanzig Büchern). Berlin / Weimar: Aufbau-Verlag, 1965, Bd. 2, Teil 4,
16. Buch, S. 272.