5. BELLETRISTIK AUS UNGARN IN DEN KORRESPONDENZNACHRICHTEN
Aufklärung und Spracherneuerung setzten einander laut Verfasser
voraus. Er erkannte nämlich auch die korrelativen Beziehungen zwischen der
Verbreitung von wissenschaftlichen Kenntnissen und der bewusst gesteuerten
Pflege und Bildung der Sprache, indem er folgende Worte schrieb: „Man führt
fort, wissenschaftliche Schriften in ungarischer Sprache herauszugeben, um
dadurch theils die ungarische Nationalsprache mehr auszubilden, theils
wissenschaftliche Kenntnisse in Umlauf zu bringen.“!”
In den Berichten setzte man sich auch für die Einführung der ungarischen
Sprache anstatt der lateinischen in den ungarischen Schulen ein, was merkwür¬
digerweise gerade vielen Ungarn nicht akzeptabel zu sein schien. (Seitens der
ungarndeutschen Berichterstatter ging es dabei gar nicht um die allgemeine
Einführung einer Sprache im ganzen Lande, wie dies nach den Ansichten des
Pressburger Deutschen in der „eleganten Zeitung“ artikuliert wurde.) Auch
darüber informierte bereits einer der ersten Merkurberichte im März 1802:
Viele Ungarn sehen diese Einführung der ungrischen Sprache mit scheelen Augen
an, und befürchten das Aussterben der lateinischen Sprache in Ungarn; allein mit
Unrecht. Das Studium der lateinischen Sprache und besonders der Klassiker wird
dabei gar nicht vernachlässigt, und in Debrezin werden überdies die griechischen
Klassiker bloß lateinisch interpretiert [...] Bei andern Schulen in Ungarn (an
Orten, wo nicht bloß Ungarn wohnen) könnte aber unmöglich die ungrische
Sprache eingeführt werden, vorzüglich aus dem Grunde, weil die Zuhörer und
Schüler aus verschiedenen Nazionen, Teutschen, Slaven, Ungarn, Neu-Griechen,
Illyriern, gemischt sind, und daher die lateinische Sprache zum gemeinschaftlichen
Verständnis aller die bequemste ist.!'®
Die engagierten Argumente für die vorteilhaften Besonderheiten der
ungarischen Sprache wurden auch in den Berichten über die ungarische
Literatur, vor allem in denen über die Lyrik des Öfteren wiederholt. Im
Jahre 1807 z. B., als zwei ungarische Epigramme von Ferenc Kazinczy und
Jözsef Dessewffy!® veröffentlicht wurden, beriefen sich die einführenden
Worte erneut auf poetische Qualitäten der ungarischen Sprache, welche die
Deutschen zu ihrer Aneignung inspirieren sollten:
Hier folgen ein Paar artige magyarische Gedichte. Aus der beigefügten teutschen
Übersetzung (ob sie gleich das Original nicht erreicht) werden teutsche Literatur¬
Freunde ersehen, welcher Schönheit und Energie die ungarische Nationalsprache
17 NTM, 1803, H. 3, S. 214. Verfasser nach Starnes, Prosa-Artikel, S. 180, Nr. 723: „[Rumi]“
108 NTM, 1802, H. 4, S. 273. Siehe Starnes, Prosa-Artikel, S. 213, Nr. 1030.
10% „Zwei magyarische Grabschriften auf den Tod des ungarischen Fräuleins Iphigenia
Psycharion von Kazinczy im Jahre 1806 (die erste im elegischen Versmaße.)“ In: NTM, 1807,
H. 7, S. 197-199. Verfasser nach Starnes, Prosa-Artikel, S. 177, Nr. 709: „[Rumi]“