XI. DER NEVE TEUTSCHE MERKUR ALS QUELLE...
In Kenntnis solcher und anderer sprachlicher Eigenheiten des Ungarischen
argumentierte er für die poetischen Qualitäten der ungarischen Belletristik
und riet sogar den Deutschen mit patriotischem Eifer, dem Studium der
ungarischen Sprache vor vielen anderen europäischen Nationalsprachen den
Vorrang zu geben:
Und sollten nicht auch mehrere ungrische Gedichte und Originalschauspiele die
Ausländer zum Studium der ungrischen Sprache reitzen? Die ungrische Sprache ist,
nach dem Urtheil unpartheischer Kenner, ganz zur Poesie geschaffen. Die Sprache
ist voll der schönsten Bilder, hat eine durch die Natur der Sprache festgesetzte
Metrik (wie die griechische); die ungrischen Dichter könnten alle griechische
Metra sehr leicht anwenden und ihre Sprache kann bei einem guten Gesang und
mit Begleitung der Musik zum theil mit der italienischen wetteifern. So erschien
vor kurzem die Aeneis in ungrischen Hexametern, die eine Vergleichung mit
der berühmten Vossischen Arbeit aushält. Und wie sehr ließe sich nicht aus der
ungrischen Sprache auch der Karakter der ungrischen Nazion erläutern! In jeder
Rücksicht verdiente sie eher das Studium der sprachkundigen Teutschen, als die
dänische, russische und spanische Sprache.!”*
Als Karl Georg Rumy drei Jahre später einen von Benedek Virág herausgege¬
benen ungarischen Gedichtband las, sah er sich in seiner Ansicht, nach der
die „Anwendung der griechischen Metra“ im Ungarischen leicht möglich sei,
weitgehend bestätigt. Im Neuen Teutschen Merkur schrieb er darüber u. a.
Folgendes:
Derrühmlich bekannte ungrische Dichter und Übersetzer römischer Klassiker, Virág,
gab in diesem Jahre heraus Magyar Poéták, Kik Római Mértékre írtak etc. [Ungrische
Dichter, die nach dem Römischen Silbenmaß schrieben] Pesth 1804. 72. S. Er beweist
darin durch mehrere Beispiele aus Ungrischen Dichtern, daß die Ungrische Sprache,
so wie die Griechische und Römische zur Poesie vorzüglich geeignet sey.!”®
Die ungarische Sprache sei sogar für die Wissenschaft mindestens so geeignet
gewesen, wie die deutsche: „Es hat sich gezeigt, woran man Anfangs zweifelte
— daß die ungrische Sprache sehr geschickt ist, viele Begriffe, insonderheit
aus der Filosofie und Fysik auszudrücken und sie ist des Purismus viel
empfänglicher als die teutsche.“!°°
104 NTM, 1802, H. 4, 5.269 f. Verfasser nach Starnes, Prosa-Artikel, S. 213, Nr. 1030: „[vermutlich
Rumi, anhand von Mitteilungen anderer, teilweise aus einem Brief vom 29. Nov. 1801 aus
Jena, von Joh. Sam. Dianovsky]“
15 NTM, 1805, H. 2, S. 140 f. Verfasser nach Starnes, Prosa-Artikel, S. 178, Nr. 714: „[Rumi]“
106 NTM, 1802, H.4, S. 269 f. Verfasser nach Starnes, Prosa-Artikel, S. 213, Nr. 1030: „[vermutlich
Rumij"