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5. BELLETRISTIK AUS UNGARN IN DEN KORRESPONDENZNACHRICHTEN

Auch bei der Entscheidung fiir den Nachdruck des Tokayer-Liedes
von Rösler®* im Jahre 1804 konnte man mit einer positiven Aufnahme
seitens der Leser des Merkurs rechnen: Die Kenntnis der Form (Claudius’
Rheinweinlied), des Weines (des besten und teuersten in Europa) und die
gängigen Ungarnklischees (wie man sich etwa einen Ungarn vorstellte)
erleichterten gewiss auch in Weimar in hohem Maße den Zugang zu diesem
heiteren deutschen Gedicht aus Ungarn. Vor und nach diesem Trinklied
erschienen in der gleichen Merkurbeilage zwei weitere Gedichte aus dem
Pester Musenalmanach, aus Bexhefts Gedankenlyrik An die Hoffnung,
(eigentlich eine der vielen modischen Schiller-Adaptationen jener Jahre)”
und von dem in der Region um Weimar bekannten Pädagogen Jacob Glatz ein
Epigramm unter dem Titel Mddchenerziehung.”®

Uberhaupt erhielt dieser Musenalmanach bereits in dem bedeutendsten
wissenschaftlichen Organ des Königreichs, in der Pester Zeitschrift von und
für Ungern von Professor Johann Ludwig Schedius?” eine außerordentlich
positive Kritik. Prof. Schedius lobte „die typographische Schönheit“ und
würdigte den Inhalt des Musenalmanachs von Rösler Ende Dezember 1803 u.
a. mit den folgenden Worten: „Der größte 'Iheil dieser Gedichte |...] gehört zu
der sanftern lyrischen Gattung, die sich durch Wahrheit der Empfindung, und
einen leichten gefälligen Vortrag empfiehlt, so wie sich auch manche durch
einen höhern Schwung und eine lebhaftere Imagination auszeichnen.“’®

Im Weimarer Neuen Teutschen Merkur hob Karl Georg Rumy im Juliheft
von 1804 ähnlicher Weise „den inneren Gehalt“ und die „äußere Eleganz“ des
Pester Almanachs hervor, weiterhin dass man darin dieses Mal im Gegensatz
zu früheren Almanachen „nicht mehr auf bloße Lückenbüßer [...] stößt“,
sondern auf „mehrere sehr gut gerathene Gedichte, besonders von Rösler
[dem Herausgeber des Almanachs], von Glatz, Bexheft, Prof. von Schedius,
Dr. Lübeck,“ wobei Rumy am Ende seiner Aufzählung besondere Akzente auf
das „Fragment eines Oratoriums“ von Schedius setzte.

Beide Besprechungen würdigten die außerordentliche Bedeutung der
Dichter-Charakteristik in Röslers Almanach,’ aus der Rumy am Ende

54 Die Besprechung des Gedichtes siehe im Kap. IIl/6. Der Nachdruck aus dem Musen-Almanach
von 1804 erschien in der Beilage des NTM, 1804, H. 7, S. 198 ff. Verfasser des hinzugehörenden
Berichts nach Starnes, Prosa-Artikel, S. 179, Nr. 718: „X*y = vermutlich Rumy“.

Ebd., S. 195-198. In Ungarns Literaturgeschichte war damals aus der deutschen Dichtung
Schiller mit höchster Frequenz rezipiert.

Ebd., S. 200. Er studierte in Jena und hielt sich nach seinem Studium mehrere Jahre als
Erzieher in Schnepfental auf.

57 Zeitschrift von und für Ungern, 1803, Bd. 4, H. 5, S. 307 ff.

58 Ebd., S. 309.

Rösler, Christoph: Charakteristisches Verzeichniß einiger vorzüglicher teutscher
Dichterwerke. In: Musen-Almanach von und für Ungern auf das Jahr 1804. Hg. v. Ch. R. Pest:
Verlag bei Konrad Adolph Hartleben, 1804, S. 159-190. In: Deutschsprachige Texte aus
Ungarn, Bd. 3, S. 104-111. Vgl. dazu Kap. 1/5

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