XI. DER NEVE TEUTSCHE MERKUR ALS QUELLE...
Im Gegensatz dazu engagierten sich fiir die Bildung und den kultivierten
Gebrauch aller Sprachen des Königreichs alle Merkur-Korrespondenten aus
Ungarn ohne Ausnahme und jeweils unabhängig von der eigenen Mutter¬
sprache. Sie hielten jeden Erfolg aller Nationalitäten bei der Veröffentlichung
einer Grammatik, eines Wörterbuchs, eines Gedichtbandes, eines Almanachs
u. s. w. — in welcher Sprache diese auch immer geschrieben wurden - für
einen feierlichen Augenblick im Königreich.
Im zweiten Teil fand der Verfasser aus Preßburg merkwürdiger Weise
sogar Worte für die Verteidigung der Zensur:
Man ißt die Ananas an den Tafeln unsrer Edlen oft schon darum viel lieber, als die
beste Zuckermelone, weil diese das Unglück hat in der Nähe zu wachsen.
So würde man unsrer Regierung sehr Unrecht thun, wenn man den Mangel an
guten einheimischen Geistesprodukten allein der Strenge unsrer Zensur zuschriebe.
Obengenannte Ursachen tragen dazu das meiste bey;“
Dagegen konnte normaler Weise kein aufgeklärter Intellektueller um 1800 die
strengste Zensur Mitteleuropas billigen. Im Gegensatz zur Argumentation
des Preßburger Verfassers behandelte z. B. ein Merkur-Korrespondent (nach
Starnes vermutlich Rumy) die Zensurmaßnahmen bereits 1802 geradezu als
den eigentlichen Grund für die gehinderte Bücherproduktion der Ungarn:
Die Censur ist in Ungarn, wie in den übrigen österreichischen Staaten noch immer
sehr strenge. Daher darf man sich im Ausland nicht wundern, daß in Österreich
so wenige Bücher erscheinen, da Bücher, die man in andern Staaten für unschuldig
halten würde, hier verboten werden, oder wenigstens oft Jahre lang unter der
Censur liegen bleiben. Besonders darf sich ja kein Schriftsteller einfallen lassen,
politische Mangel zu rügen und Verbesserungen vorzuschlagen.”
Ohne jeden logischen Zusammenhang mit dem Plädoyer für die Zensur (davon
im gleichen Absatz nur mit einem Semikolon getrennt) folgte schließlich die
provozierende Schmähung der „Gelehrten“ und „Schriftsteller“ des Landes:
„dazu kommt noch die Jalousie derjenigen Gelehrten, die entweder keine
Schriftsteller sind oder keine Humanität besitzen, und die ihr Ansehn durch
Herabwürdigen der Arbeiten Anderer zu befestigen suchen“.”* Vorgetragen
waren diese Worte freilich mit der typischen Geste aller Pamphletisten: Den
16 Ebd., Sp. 436. (HervorhebungenL. T.)
47 NTM, 1802, H. 4, S. 275. Verfasser nach Starnes, Prosa-Artikel, S. 213, Nr. 1030: „vermutlich
Rumi“.
Bruchstücke über Ungarn, Sp. 436.