X. GLÜCK UND UNGLÜCK IN DER K. K. MONARCHIE UM 1800...
Der unternehmungslustige junge Schwabe, von dem ich am Anfang meiner
Ausführungen berichtete, und der im Königreich Ungarn das Paradies zu
finden hoffte, verschwand im Donauknie bei Visegrád/Nagymaros aus der
Geschichte und der Literatur, indem der angehende deutsche Schriftsteller,
der unter den vielen Episoden seiner Ungarnreise auch diese Begegnung in
seinen Notizen festhielt, bei Morgendämmerung des 21. August 1798 die
letzte Etappe seiner viertägigen Schifffahrt stromabwärts nach Pest antrat.
Doch kann man in Kenntnis der historischen, kulturellen und ökonomischen
Möglichkeiten der deutschsprachigen Ungarn jener Zeiten mit großer
Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dem jungen Mann und seinen
Angehörigen, wie so vielen anderen, gelungen ist, das Glück im Königreich —
wenigstens für die Zeitspanne eines Menschenlebens - zu machen.
Außer den günstigen historischen Voraussetzungen in jener Region
spielten aber gewiss auch ihre subjektiven Veranlagungen eine wichtige Rolle.
Man sollte dabei annehmen, dass sie, wie die meisten Umsiedler, nicht nur
unternehmungslustig, sondern auch fleißig, fügsam, interessiert für Bildung
und Kultur, fach- und sachkundig, für alles Gute offen und immer bereit
für sinnvolle Neuerungen und Reformen waren, ohne jemals gesetzwidrig
gehandelt zu haben - also ebenfalls klischeegerecht Deutsche waren, was
nichts Negatives auszusagen hat, wenn man bereit ist zu akzeptieren, dass alle
Klischees jeweils auch ihren Wirklichkeitskern haben dürften.°® Außerdem
schätzten sich auch die meisten in ihren Selbstporträts ganz ähnlich ein,
indem u. a. auch folgende Zeilen ähnliche Züge vermitteln:
Kultur, Gewerbfleiß, Künste und Ackerbau
Mit allen Zweigen ländlicher Kenntnisse
Befördert kraftvoll, unverdrossen
Und unermüdet der wackre Deutsche.”
Zwar etwas überheblich — einen Magyaren sogar zu einer etwas gereizten
Antwort bewogen - verwies auch ein anonymer Preßburger Deutscher auf
diese eminenten Eigenschaften und auf deren funktionale Bedeutung in dem
Vielvölkerkönigreich: „Der Deutsche“ [im Königreich, L. T.] — so behauptete
er — „steht in der Mitte und wird durch seine Kenntnis und natürliche
Geschmeidigkeit ein wohltätiges Bindungsmittel, welches die ungeheure
Masse eines so heterogenen Haufens zusammenhält.“°
58 Ein Wort meines unvergesslichen Lehrers, Läszlö Bodi, zur Zeit meiner germanistischen
Studien in Budapest in den angehenden 50-er Jahren.
59 23. Strophe in: Dorion, D. C.: Pannonia. Eine Ode am Altare des Vaterlandes. Pesth: Trattner,
1811, S. 10. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 100.
60 [--]: Bruchstücke über Ungarn. Preßburg, im April 1802. In: Zeitung für die elegante Welt.
8. May 1802, Nr. 55, Sp. 434. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 161-163. Die
Besprechung dieses Artikels und seiner Wirkung siehe im Kap. X1/4.