X. GLÜCK UND UNGLÜCK IN DER K. K. MONARCHIE UM 1800...
Arie: Gott übt Gerechtigkeit: Sind es nicht jene,
Die er mit Weisheit einst und Kraft bekränzt,
Die Welt beglücken hieß, und die doch keine Thrane,
Die in des Kummers trübem Auge je geglänzt,
Zu trocknen eilten: nur dem stolzen Sinn
Und ihren Lüsten fröhnen, war für sie Gewinn.
Herr deine Wege sind gerecht und wahr
Dein heilig Wort unwandelbar.
Umso stärker, poetisch aufdas Höchste gesteigert wirkten unmittelbar danach
die unmissverständlichen Teile über die Ermordung der Gerechten. Den
Rahmen dazu bildete das Fortissimo aller Chöre von der Verdammung der
„Satans Geweihten“, wobei die Teilchöre 1. und 2. die zeitkritischen Aspekte
verdeutlichten. Traditionen der politisch engagierten protestantischen
Dichtung aus dem 16. Jahrhundert wurden lebendig, als der Dichter die
„Mörder“ der „Gerechten“ geißelte:
1. Chor: Der Bosheit und des Frevels Mörderbrut
Entflieht, zur Hölle hin verstossen:
2. Chor: Und Rache schreyet der Gerechten Blut,
Das ihr mit ungerührtem Blick vergossen
Alle Chöre: Zittert, ihr des Satans Geweihte!
Bebet, euer Reich stürzt ein.
Sehet, wie Gehenna’s Geister, sich der Beute,
Und des jammervollen Sieges freun.°!
Nicht selten wurden im Königreich unterdrückte Gedanken auch unter dem
Deckmantel wissenschaftlich angelegter Erörterungen und Fragestellungen
verborgen. Politische Stellungnahmen gegen die Kolonialisierung und
Unterdrückung des Landes durch Österreich beinhaltete auch der von einem
unbekannten J* R** unterzeichnete Aufsatz im Literärischen Anzeiger für
Ungern unter dem Titel Etwas über die Frage - Was gehört zur pragmatischen
Bearbeitung und Darstellung unserer Vaterländischen Geschichte?
Die Berufung auf abstrakte Forschungsinteressen und das Verlangen eines
„historischen Pragmatismus“ enthielten politische Spannungen, die sich
unter anderem in einigen der scheinbar „unschuldigen“ Fragen äußerten,
deren Beantwortung angeblich nur der genauesten Erschließung der
„systematischen und harmonischen Aneinanderkettung von Ursachen und
>! Schedius, Johann Ludwig: Fragment aus einem Oratorium: Das Weltgericht. In: Musen¬
Almanach von und für Ungern auf das Jahr 1804. Pest: Verlag bei Konrad Adolph Hartleben,
[1803], S. 32 £. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 258 f. (Hervorhebungen L. T.)