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X. GLÜCK UND UNGLÜCK IN DER K. K. MONARCHIE UM 1800... schmackhafteste in Europa. [...] Ein Dorfedelmann in Ungarn weiß gemeiniglich kaum so viel, als ein Faßzieher zu Paris. Ein englisches Parlament gegen eine ungarische Komitatskongregation macht einen Abstand, wie der Senat des alten Roms gegen eine heutige kosakische Dorfschenke. Man muß Augenzeuge von der rohen Pöbelhaftigkeit und dem bäurischen Ungestümm seyn, um es zu glauben, wie weit man in Ungarn noch entfernt ist, die ersten Anfangsgründe einer vernünftigen Regierungskunst zu verstehen.°* Auch der junge ungarndeutsche Jacob Glatz aus der Zips wandte sich mit leidenschaftlichen Worten gegen den Adel. Aber der Zugang zu den verfassungsrechtlichen Fragen und die Beweggründe der Adelskritik trennen die beiden Autoren und deren Schriften mehr voneinander, als dies durch einige formale (eventuell stilistische) Ähnlichkeiten verdeckt werden könnte. In den Worten von Glatz geht es jeweils um die Sache selbst, dieses Mal um das Problem der mangelhaften Interessenvertretung des Volkes. Die Leidenschaft folgt nicht daraus, dass ihn eventuell irgendjemand beleidigt hätte, sondern aus seiner entschiedenen Ungarnverbundenheit [!]. Engagiert ist er allein fiir sein ,armes ungliickliches Volk“ und seine ,gekränkte Nation“, die bei Entscheidungen von Gesetzen nicht repräsentiert wird. Hoffmann betrachtete das Land von außen, Glatz von innen. Hoffmanns Beweggründe waren persönliches Versagen und Hass, die von Glatz die Liebe seines Volkes und seines Vaterlandes. Der Hass trennt, die Liebe verbindet. Größer kann daher der Unterschied gar nicht sein. In diesem Sinne schrieb er in seinen Freymütigen Bemerkungen eines Ungars über sein Vaterland folgende kritische Worte zu den aktuellen Verfassungsfragen und über den ungarischen Adel: Viele Ungern pochen gar gewaltig auf die repräsentative Verfassung, die ihr Vaterland haben soll. Ich weiß nicht, was sie darunter meynen. Verstehen sie etwa unter dem repräsentativen Theil der Nation den Adel, der strenge auf seine Gerechtsame wachen, und der Gewalt des Monarchen das Gleichgewicht halten wird? O armes unglückliches Volk, wenn dieß deine Repräsentanten, dieß die Beschützer deiner Freyheit, deiner Staatsbürgerrechte sind! Ihr Interesse ist nicht das deinige, es ist demselben vielmehr entgegen. Egoismus und niedriger Eigennutz ist gewöhnlich die Triebfeder ihrer Handlungen, herabwürdigender Hochmuth, mit welchem sie voll Verachtung auf dich edle gekränkte Nation herabblicken, ein Hauptzug ihres Charakters; Rohheit, Trägheit des Geistes, ein Herz voll [Hoffmann, Aloys Leopold]: Ninive. Fortgesetzte Fragmente über die damaligen politischen Angelegenheiten in Ungarn. O. O., 1790, S. 12-14. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 193 f. + 238 ¢