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X. GLÜCK UND UNGLÜCK IN DER K. K. MONARCHIE UM 1800...

welche die Rückeroberung der unlángst verlorenen Gebiete in der ungarischen
Tiefebene noch lange nicht aufgegeben haben. Die österreichischen Truppen
erlitten noch 1738 und 1739 vier [!] Niederlagen und verloren dabei auch eine
Reihe früher rückeroberter Gebiete in Serbien. Die von den Türkenkriegen
und dem nahezu ein Jahrzehnt langen Unabhängisgkeitskrieg gegen das Haus
Österreich geschwächten Ungarn hatten noch die Kraft die bedrängte Maria
Theresia zu ihrer Weltmachtposition zu verhelfen, aber damals hätten sie
allein keinerlei Chancen, die invasionsinteressierten Türken aufzuhalten.
Außerdem konnten sie bei der Wahl der bedrängten Königin auch eine
Reihe von Zugeständnissen erhalten, z. B. dem sed-avenam-non-Gedanken
entsprechend, die Steuerfreiheit des Adels u. a. m. (vieles davon wurde in
den Fußnoten der Elegie aufgelistet.) Nicht Leidenschaft, gegenseitige Liebe,
Gerührtheit, Achtung, sondern in erster Linie geradezu höchst rationale
Überlegungen dürfen also die historisch so wichtige Entscheidung beiderseits
motiviert haben. Vor allem Not und Unglück ließen die Königin wie auch den
Adel den sinnvollsten Konsens herbeiführen und anschließend für Jahrzehnte
das beiderseitige Glück der k. k. Monarchie schmieden. Umso angenehmer
(nicht für die Sache, sondern für die Akteure), wenn dabei all dies auch mit
manchen theatralisch inszenierten Gesten und Effekten schmackhafter
gemacht werden kann.

5. DiE KONSTITUTION DES KÖNIGREICHS —
GLÜCK UND/ODER UNGLÜCK (DIVERGENTE ASPEKTE)

Die Konstitution der ungarischen Krone wurde von Deutschen, Österreichern
und Ungarn in und außerhalb der k. k. Monarchie unterschiedlich beurteilt.
Der ungarndeutsche Dichter der Elegie an mein Vaterland sah darin die
Garantie des höchstmöglichen Glücks ihrer Untertanen, eine Art freie
Adelsdemokratie, vergleichbar nur mit der Verfassung der Briten, wie er dies
auf seine eigentümliche Weise teils inhochschwingenden hymnischen Versen
nachempfinden ließ, teils mit sachlich durchdachten Fußnoten erklärte: °!

Freyheit vom Himmel gesandt! von besseren Menschen empfunden,
Freyheit von Vätern geerbt, du meines Vaterlands Stolz —

Dir sey mit würdigem Herzen, mit schuldlosen Händen diess Opfer
Noch für die Stunde geweiht, eh du der Zukunft enteilst.

Dich zu erhalten bestimmten die Edlen gerechte Gesetze

31 [Gruber, Carl Anton von?]: Elegie an mein Vaterland. S 17 £. [Entsprechende Fußnoten, S. 24.]
In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 142. [Entsprechende Fußnoten, S. 145 f.]

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