IX. BELLETRISTISCHE PROSATEXTE DES DEUTSCHSPRACHIGEN UNGARN UM 1800
Kunst des „Käsperle Stöger“, der einst auf allen „Kreutzer-Komödien-Zetteln“
im Holzschnitt zu sehen war, ja sogar in „Lebensgröße über der Casse des
Theaters abgemalt“ jedem freundlich zuwinkte.?® Michael hatte ein anderes
Verhältnis zu diesem Theater, als die kultivierten Städter seiner Zeit. Er sah
es aus dem Blickwinkel eines halbgebildeten Menschen, d. h. eines echten
Vertreters des eigentlichen Publikums dieses Theaters, der gewissermaßen
auch dazu gehörte:
Potz Tauß Safrmeanchel, und kein End! Gestern auf die Nacht war die Kreuzr
Komedihüttn völli ausgwechselt narrisch. Die ist ganz lumenirt, und inn und
auswenti mit lebentigi Figiirln, und Woasrln ausspallirt gwest. Den Kasprl
habns’obrn Eingang auffipostirt, wie er sein Serfuß macht. Ist ein Zachn hat ein
Herr gsagt, dass die ganze Hüttn, denen gwissen Nannerln und ihnern Anhang ihr
einzigi Existenz zverdankn hat. [...] Die ganzi Komedierey hätt schon längst solln
aufhörn, es hat ghassen, dass schon einmahl der Verboth da war, sie hättn zuispirn
solln, weil aber die Dienstbothn Kuchelkreutzer, Zöckrgröspln, und alles wo sich
was abzwickn laßt, zomnehmen, dassi das Leggeld zahln können, so geht bei der
Kassa vill ein, und da hat’s der Kasprl ausbitt, dass sie wider spilln därfn.°®
Wiederholt wurden in den Briefen auch weltpolitische Fragen erörtert,
wie diese etwa von der Pest-Ofener bürgerlichen Mittelschicht jener Jahre
interpretiert waren. Man hörte von den Spannungen und Kriegshandlungen
in Westeuropa, von Englands Seemacht, den Erfindungen der Brüder
Montgolfier und den ersten Experimenten mit ihren Luftschiffen etc.
Welche vagen Vorstellungen aber dabei von einer herbeiphantasierten
„Luftüberlegenheit“ der Franzosen in diesen Gesprächen aufkamen, dazu
höre man den Bericht von Michael Rachschiml unter seiner Berufung auf die
„bilesenen“ Mitbürger:
dos sogt mer, ist ausgmocht, dass die Engländer aufn Mir vill stirker sand, ols die
Franzosen, wall sie vill mehr Furtln wissen; ober es hast hold, dass die Franzosen
wider in der Luft vill stirker sand. Hietzt wird es sich hold nochher zoagen, der Jud
sogt, dos Wosser hot kani Bolken, dos muiß schir schon gfärlih seyn, ober ich wos
nit, wonn die Franzosen noch so fill Leit in Wind schlogen, ob sie in der Luft nit
noh gfearlicher dron sand, do kumt hiatzt der oldi Schuasterberger fost ollito auf
Benkert, Anton: Die Kreutzer-Komödie in Pesth. [Entnommen aus dem Almanach des
k. st. Theaters in Ofen für das Jahr 1845 v. T. Hybl, Souffleur.] In: Kertbeny, Karl M.: Zur
Theatergeschichte von Budapest. Ungarische Revue. Leipzig / Berlin / Wien: 1881, Bd. 1, S.
639.
3° 14, Brief im Heft 2, S. 14 f.