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VII. DEUTSCHSPRACHIGE SCHAUSPIELKUNST UND DRAMATIK IM ALTEN PEST-OFEN Gleichzeitig erhoben und erneuerten sich in Ungarn fortwahrend und landesweit vorerst provisorische, später für die Dauer zweckentsprechend erbaute Schauspielhäuser für die deutschsprachige Bühnenkunst. Die berühmte, aber für Schauspieler und Zuschauer gleicher Weise äußerst unbequeme Rondelle von Pest und die Bretterbude von Ofen gehörten freilich zu den im unterschiedlichen Maße provisorischen Heimstätten 'Ihaliens - im Gegensatz zum Ofner 'Iheater auf dem Festungsberg. Graf von Hofmannsegg berichtete darüber in seinem Brief vom 17. 11. 1793 auf folgende Weise: Das Theater, welches ich denselben Abend besuchte [die Rondelle in Pest, L. T.], ist klein, winklicht und unbequem gebaut. Der Platz, wo junge Leute hingehen, heißt das erste Parterre; in diesem aber sind vielleicht nicht funfzig freie Sitze, die übrigen sind alle verschlossen und theils abonnirt, theils voraus bestellt, theils ist es Sitte, dass bloß Frauenzimmer sie brauchen. Da ich also etwas spät kam, so musste ich über drei Stunden stehen. Doch vergaß ich diese Unbequemlichkeit einigermaßen über die Vorstellung, die recht sehr gut ausfiel.!® In dem Brief des Grafen vom 17. 12. 1793 steht über das Schlosstheater auf dem Festungsberg u. a. bei einem Vergleich mit der Rondelle Folgendes: „Das hiesige Theater ist ziemlich hübsch, ungefähr wie das Dresdner, doch etwas kleiner. [...] Einen Tag spielen [die Akteure] hier und den andern in Pest, wo aber das Theater erbärmlich beschaffen ist.“ Aber auch das „hübsche“ Ofner 'Iheater auf dem Festungsberg schien nach dem Grafen bereits etwas zu klein gewesen zu sein. Ähnlicherweise fand man das alte Preßburger Theater schon in den angehenden siebziger Jahren für zu eng und wegen des einzigen Einganges sogar für höchst feuergefährlich.'? Als exzellente Höhepunkte der Entwicklung der bürgerlichen Kultur erlebte man deshalb im Königreich die Übergabe des akustisch hervorragenden Preßburger Theaters dem Publikum am 9. November 1776 (mit 1200 Sitzplätzen)’ und die glanzvolle Eröffnung des dreimal so großen Pester Deutschen Theaters (damals des „größten in der ganzen Welt“?°) am 9. Februar 1812. Das große Ereignis wurde in Pest mit Beethovens Musik und Kotzebues Dramatik gefeiert: Mit Ungarns erstem Wohltäter gedachte man in Reise des Grafen Hofmannsegg in einige Gegenden von Ungarn bis an die türkische Gränze. Ein Auszug aus einer Sammlung von Original-Briefen. Görlitz: 1800, S. 104 f. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 215. 7 Ebd., S. 116. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 3, S. 221. Benyovszky, Karl: Dasalte Theater. Kulturgeschichtliche Studie aus Preßburgs Vergangenheit. Bratislava-Preßburg: Verlag von Karl Angermayer, 1926, S. 41. Geschichte der Schaubuehne zu Preßburg. Zum Vortheil der Henriette Schmidtinn, Einsagerinn bey der Christoph Seippischen Schauspielergesellschaft aufgesetzt. [Preßburg: Johann Michael Landerer, 1793, S. 12-15. Sowie in: Benyovszky, Das alte Theater, S. 43-48. Gragger, Robert: Geschichte der deutschen Literatur in Ungarn. Von Maria Theresia bis zur Gegenwart. Wien / Leipzig, 1914, S. 3, 9. * 162