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VII. DEUTSCHSPRACHIGE SCHAUSPIELKUNST UND DRAMATIK IM ALTEN PEST-OFEN Solch ein „mitfühlendes Herz“ bringen tatsächlich heute noch manche meiner [wenigstens einigermaßen gebildeten] Landsleute den ungarischen Repräsentanten der Iheaterkunst aus dem 19. Jahrhundert entgegen. Dabei geht es nicht nur darum, dass man ihren Namen in Straßenkatalogen und auf Gedenktafeln der ungarischen Städte immer wieder begegnet. Man weiß hierzulande tatsächlich auch so manches von Frau Käntor (urspr. Anna Engelhardt), Frau Dery (Röza Szeppataki, urspr. Schönbach), von Jözsef Szerdahelyi, Märton Lendvay, Käroly Megyeri (urspr.. Stand), Gäbor Egressy, Röza Laborfalvy, Mari Jäszai (urspr. Krippel), Lujza Blaha (urspr. Reindl) und vielen anderen." Man fühlt sich mit ihnen hierzulande mehr oder weniger verbunden. Sie waren und sind heute noch - ähnlich wie unsere besten Dichter, Architekten, Bildhauer, Maler und Komponisten aus der gleichen Zeit — jeweils als hervorragende Vertreter der einheimischen kulturellen Tradition angesehen, wie auch ihr künstlerisches Oeuvre schon immer als nationales Erbe aller Ungarn gefeiert wurde. Die zeitgenössische Begeisterung für sie wurde auf die späten Nachkommen mündlich und/ oder schriftlich kontinuierlich auf verschiedene Weise tradiert: Ihre Erfolge wurden in manchen ungarischen Prosawerken nacherzählt, man hat ihrer in einer Reihe von Gedichten, ja sogar in manchen Spielfilmen gedacht, und auch im Schulunterricht anspruchsvollerer Lehrkräfte wurden sie in den vergangenen hundert Jahren immer wieder als Vorbilder aus der ungarischen Kulturgeschichte vorgestellt. Für die deutschsprachige Kultur Ungarns blieb dagegen kein „Plätzchen der Erinnerung“? in der Nachwelt übrig — weder in Deutschland noch in Ungarn. Dabei spielte das deutschsprachige 'Iheater in der Entwicklung der seinerzeit modernen Stadtkultur Ungarns vom ausgehenden 18. Jahrhundert zumindest bis 1837, d. h. bis zur Eröffnung des Pester Ungarischen Theaters, ohne jeden Zweifel eine ausschlaggebende Rolle — unabhängig davon, ob die Mitglieder des Publikums nach ihrer Herkunft Adlige oder Bürger bzw. nach ihrer Muttersprache und/oder nach ihrer Nationalität Deutsche, Magyaren, „Raitzen“, Slowaken oder das Jiddische in jener Zeit allmählich auf das Deutsche wechselnde Juden!? waren. u Die ursprünglichen deutschen Namen mancher ungarischen Schauspieler(innen) weisen auf deren deutschsprachige Herkunft hin. 2 Siehe oben die Worte Friedrich Devrients. 13 Siehe dazu Kap. [/4 u. VI/1 u. 3. s 160"