VII. DEUTSCHSPRACHIGE SCHAUSPIELKUNST UND DRAMATIK IM ALTEN PEST-OFEN
zwanziger Jahren,’ von Emil in den vierziger® und Friedrich in den fünfziger?
Jahren des 19. Jahrhunderts? Selbst ihre damals auf den Bühnen des alten Pest
und Ofen gespielten Rollen sind für uns meistens schwer zu ermitteln. Und wer
könnte wohl heute die einst zwar schriftlich des Öfteren belegte, jedoch seither
selbstverständlich nie wieder erlebte effektvolle Bühnenwirksamkeit Ludwig
Barnays in den Rollen von Marc Anton, Hamlet, Karl Moor, Fiesco, Faust,
Lord Leicester, Don Carlos, Orest, Wilhelm Tell oder des Narren in König
Lear nachvollziehen bzw. diese seine Kunst etwa auf Grund seiner glanzvollen
Julius-Caesar-Regie von 1881 in London bewundern?®
Jede theatralische Leistung ist, wie Schiller im Prolog seiner Wallenstein¬
Trilogie behauptete, jeweils nur „des Augenblicks geschwinde Schöpfung“,
und im Gegensatz zu anderen Kunstarten ist sie — wie 1844 auch unser Sandor
Petöfi schrieb - stets „an die kurzen Fesseln der Gegenwart gebunden“ Bis in
das ausgehende 19. Jahrhundert war sie ja in keinem Detail rekonstruierbar.
Die Kunst des gesprochenen Wortes sowie der damit verbundenen mimischen
Effekte und deren momentane TIheateratmosphäre verschwanden mit der Zeit.
Der Nachwelt konnte darüber manches bestenfalls nur durch die wenigen,
meistens auch recht dürftigen schriftlich festgehaltenen individuellen
Impressionen der Zeitgenossen vermittelt werden.
Selbstverständlich trifft dies auch auf die kulturhistorischen Werte der
ungarischen Theatergeschichte im 18. und 19. Jahrhundert zu. Die tatsächlich
erlebte künstlerische Wirkung der jeweiligen Schauspieler sowie deren
Bühnenaufführungen blieb damals höchstens für eine recht begrenzte Zeit
im Gedächtnis mancher theaterinteressierten Augenzeugen erhalten — nicht
länger natürlich, bis es solche überhaupt noch gab. Dies Wenige durfte
nach Friedrich Devrient auch der einzige Trost des anspruchsvollen Mimen
gewesen sein, indem er seine Albumeintragung folgender Weise abrundete:
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze [...] die schönsten Altäre, die er
sich baut, sind in den mitfühlenden Herzen [seiner Zeitgenossen]. Ein solches Herz
besitzen Sie, mein junger Freund, gönnen Sie darin ein Plätzchen der Erinnerung
Ihrem Friedrich Devrient.!°
5 Devrient, Karl August, 3. 4. — 11. 4. 1829. In: Belitska Scholz, Hedvig / Somorjai, Olga:
Deutsche Theater in Pest und Ofen 1770-1850. 2 Bände (durchpaginiert). Budapest:
Argumentum, o. J., S. 1160.
6 Devrient, Emil, 24. 5. — 3. 7. 1841; 18. 4. — 2. 6. 1843; 20. — 26. 6. 1844; 22 — 30. 8. 1846, ebd.
7 Devrient, Friedrich, 30 Gastabende, wahrscheinlich 1858 und/oder 1859. In: Barnay, Erinne¬
rungen, Bd. 1, S. 38.
Vgl. dazu einschlagige Texte und Abbildungen in Ludwig Barnays Erinnerungen.
" Siehe die 3. Strophe in Petőfi , Egressy Gäborhoz“ [An G. E.].
Barnay, Erinnerungen, Bd. 1, S. 38. (Hervorhebungen L. T.)