4. MODIFIZIERTE UNGARNBILDER: INLANDISCHE SONDERFALLE
Aus der Heimat stillen Fluren
Trieb mich feindlich das Geschick,
Fern zu suchen eure Spuren,
Seeelenruh’ und Herzensgliick.
In dem Labyrinth des Lebens
Irrt’ ich Fremdling bang umher,
Den Leitfaden stets vergebens
Suchend ein Verlassener.°®
Die in höchstem Maße ichbezogene Funktion des „Pseudo“-Pilgerwortes
Fremdling — und damit des ganzen Gedichtes — belegt die intertextuelle
Beziehung zu einer anderen lyrischen Erklärung des Verfassers mit der
Überschrift Der Fremdling aus dem gleichen Jahr.?” Verfremdete Gefühle zur
Zweitheimat vermittelt dabei das ganze poetische Instrumentarium dieses
Gedichtes, wenn der Dichter darin z. B. behauptet, er seihierhergekommen „in
dieses dunkle Thal“, und besonders wenn das darauf antwortende Reimwort
„Quaal“ die negative lyrische Attitüde noch unmissverständlicher nachemp¬
finden lässt. Nur der Anfang, die ersten Jahre durften nach diesem Gedicht
vielverheißend gewesen sein:
Es sprach mich anfangs alles
Mit heitern Mienen an;
Geräusch des Wasserfalles
Und grüner Wiesenplan.
Der Hügel frisch mit Reben,*
Der Berg mit Wald gekrönt;
Und überall war Leben,
Vom schönen Lenz versöhnt.
Doch der Ausklang vermittelt mit der düsteren Stimmung die vollkommene
„Leere“, die Entfremdung von jener „öden“ Region, wo er leben muss, sowie
infolge der unerfüllbaren Sehnsucht die Geste unentschieden schwebender
Unschlüssigkeit:
38 Köffinger, Johann Paul: Der Pilger. In: ebd., S. 17-22. (Hervorhebung L. T.) In: Deutsch¬
sprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 163 f.
3° KOffinger, Johann Paul: Der Fremdling. In: Zeitung für Herren und Damen, Pest, 1807, Nr.
15, S. 115 f. (Hervorhebungen L. T.) In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 178.
“ Weinstöcke gehörten in der Entstehungszeit des Gedichtes zum Ofner Landschaftsbild.
Siehe auch Köffingers „Abenderinnerungen im Auwinkel“ sowie die Anmerkung Nr. 77 im
Kapitel IIV/6, S. 81.