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4. MODIFIZIERTE UNGARNBILDER: INLANDISCHE SONDERFALLE liche Völker, Nationalitäten bzw. Einwohner Ungarns ohne Rücksicht auf sprachliche Unterschiede! — Dass solche Ansichten über die Nation bzw. die nationale Einheit in Ungarn nicht irgendwelche Sondervorstellungen der Jahre um 1800 waren, sei an dieser Stelle an Kossuths Worte vom 25. April 1851 erinnert: „Der Staat setzt Nation voraus — die Sprache ist aber kein ausschließendes Kriterium der Nation. — Sprachliche Einheit bildet noch keine nationale Einheit, wie wohl auch sprachliche Vielfalt die nationale Einheit nicht hindert.“ * 4. MODIFIZIERTE UNGARNBILDER: INLÄNDISCHE SONDERFÄLLE a) Nina und Theone Den äußerst wenigen Beispielen für Abweichungen von dieser eindeutigen patriotischen Einstellung der deutschsprachigen Ungarn zu ihrem Vaterland begegnet man um 1800 vor allem in den westungarischen Landesteilen. (Erst in den Vormärzjahren entstanden hin und wieder manche Unsicherheiten in der nationalen Identität einiger deutschsprachigen Ungarn auch in anderen Teilen des Landes.)” Die Frage lasse ich hypothetisch offen, ob dies (auch oder nur) dem zu verdanken sei, dass in diesen Regionen eigentlich keine richtigen Grenzen mehr zwischen den deutschen Nationalitäten in Ungarn und dem zusammenhängenden deutschen Sprachraum in Mitteleuropa gezogen werden konnten, mitanderen Worten, dass sich die deutschsprachige Kultur Ungarns hier nicht wie sonst auf isolierten Sprachinseln inmitten der größtenteils von Magyaren bewohnten Gebiete entwickelte. Dass für Wiener Erlebnisse die Dichtung des Preßburger Karl Daniel Nitsch offener war als die der Pester Dichter, muss wohl ebenfalls selbstverständlich sein. Aber von den damals im In- und Ausland berühmtesten zwei ungarndeutschen Gedichtbänden der Dichterinnen ‘Therese Artner (Iheone) und Marianne Tiell (Nina) aus dem Jahre 1800, die unter dem vielversprechenden Titel Feldblumen auf Ungarns Fluren gesammlet” in Jena erschienen sind, hätten schon wenigstens manche (!) ungarischen Heimatbilder und bei der zeitgenössischen Erweiterung des Heimatbegriffs sogar auch einige ungarische Vaterlandsvorstellungen erwartet werden dürfen, wenn auch die beiden Dichterinnen der westungarischen Grenzregion Neutra-Preßburg-Ödenburg zugehörten. ” Kossuth Lajos üzenetei [L. K.-s Botschaften]. Hg. v. György Szabad. Budapest: IKVA, 1994, S. 212. (Zitat ins Deutsche übersetzt v. L. T.) 25 Vgl. dazu Kap. VV/2-5. 26 Feldblumen auf Ungarns Fluren gesammlet von Nina [Marianne Tiell] und Theone [Therese Artner]. Bd. 1 u. 2. Jena: J. G. Voigt, 1800, 158; 167 S.