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IV. ELEGIE AN MEIN VATERLAND...

Sollte das goldene Alter — was wünscht doch mein Herz jene Zeiten! —
Nenne die Schlafenden nicht. — Aber sie waren so schön!

Aufklärung breitete mächtigen Schimmer vom Throne zur Hütte,
Zeigte mit thätiger Hand jedem die Pflichten genau.

Lieblich ertönten die Lieder des Dichters; die Worte des Redners
Ahndeten ungescheut Laster und Dummheit zugleich.

Zwanglos verkündete jeder die Wahrheit; für Männlichkeit galt es,
Dieser zu folgen, und auch streng zu bekämpfen den Wahn.

Wissbegierig entbrannte der Eifer zur wahren Belehrung
Und in dem Schüler erschien schon der vollendete Mann.

Weisheit beglückte die Einzelnen, zeigte die besseren Wege,
Und ein Jeder betrat diese zur Wohlfahrt des Staats.

Helden vermehrten die Gränzen, und Weise beschützten die Länder,
Priester entflammten das Herz, und die Gelehrten den Geist;

Eifer beseelte die Edlen, gewohnt nur der Wahrheit zu folgen,
Welche der König allein wählte zur Stütze des Reichs.

Wohlstand erhob bald den Bürger zum feineren, sittlichen Menschen,
Lohnte mit bildender Hand durch die Zufriedenheit ihn.

O wie die Bilder der besseren Tage so freundlich und heiter
Sprechen zum inneren Sinn! der sich in ihnen verliert!

So belebet die Sonne die Welt. Kaum breitet der Abend
Seine Fittige aus — sieht sie der Mond schon im Schlaf.”°

6. HOFFNUNGEN AUF DIE VERWIRKLICHUNG
DER AUFGEKLARTEN IDEALE IN UNGARN

Mit dem historischen Rückblick auf den König Matthias und seine Zeit hatte
der Dichter eigentlich die Absicht, seine reformistischen Vorstellungen von
einer besseren Welt in seinem Lande mit Metaphern idealer Verhältnisse
zu untermauern. Gewiss fiel es einem Dichter am Anfang des 19. Jahr¬
hunderts in den von kriegerischen Unruhen und Spannungen belasteten
mitteleuropäischen Regionen leichter, die aufgeklärten Ideale in die ferne
Vergangenheit zu projizieren, als ihre Realisierung in der erlebten Gegenwart
oder gar in der nahen Zukunft glaubhaft zu machen. Die Glückverheißungen
des 18. Jahrhunderts” wurden ja in der Zeit der Französischen Revolution
und der anschließend folgenden Weltereignisse tief erschüttert. Was von
deren Verwirklichung vor 1789 noch im eigenen Leben glaubwürdig zu
sein schien, „floh“ im Laufe der Jahre (falls es nicht gänzlich aufgegeben

26 Elegie an mein Vaterland, S. 8 f. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1,5. 138 f.
7 Solcherart Vorstellungen haben ihre geistigen Vorganger (u. a. Lessing, Herder, Kant,
Görres) vor 1800 in vielen Variationen angeboten.

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