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III. DIE DICHTUNG DER DEUTSCHSPRACHIGEN UNGARN UM 1800

an seinen Ofner Freund, von dem er vier lange Wintermonate durch die in dieser
Zeit nur schwer überguerbare Donau getrennt war, in der Hoffnung, ihn nun in
der freundlichen Jahreszeit wie früher wieder bei sich empfangen zu können:

Jezt, da der warmende Hauch des Zephyrs alles belebet
Und die bebliimte Flur streuet balsamischen Duft;

Hoff’ ich, du wirst nun einmal nach Art der erwachten Insekten,
Dich im Frühlinge da zeigen, wo man dich vermißt.

Ach vier Monden vermißt! —

In welchem Maße es dabei tatsächlich um echte und erlebte Probleme der
damals schon auf das engste verbundenen beiden ungarischen Großstädte
ging und mit welchen typischen, aufsehenerregenden Methoden hier vor
und nach 1800 experimentiert wurde, um die Verkehrsschwierigkeiten
technisch bzw. mit persönlichem Geschick zu überwinden, davon berichtete
bereits anderthalb Jahre vor der Entstehung dieses Gedichts der durch
Ungarn reisende Graf von Hofmannsegg recht ausführlich.”” Mit wenigen
Worten wiesen Halitzkys Distichen auf diese typischen und gewiss schwer
zu überwindenden Pest-Ofener Schwierigkeiten in den Wintermonaten hin:

— Du scheutest die Fluthen des Isters
Durchkreutzen, als er eisige Schollen gewälzt;
Ja du erbebetest auch als Isters Rücken mit dichtem
Eis bedecket, dem Fuß sichere Tritte verlieh.
Nun der Gefahren dir keine mehr droht; da geankerte Schiffe
Dir den bretternen Pfad bieten, so zaudere nicht

Damit schienen im Gedicht Konturen einer typischen lokalen Eigenart
des Lebens im alten Pest auf, die — wie dies vom Grafen von Hofmannsegg
bezeugt wurde - „in keiner andern Hauptstadt in Europa existiert“. Die Unver¬
wechselbarkeit dieser poetischen Bilder hat eine Ausstrahlung im Weiteren
auch auf die anderen Iyrischen Partien: Die authentische lokale Atmosphäre
besetzt von nun an alle folgenden Metaphern des geselligen Zusammenseins
der Freunde. Die örtlich und zeitlich konkretisierten Prämissen verzahnen
sich auch formal durch mehrfache Enjambements der Distichen gerade an
ihrer Nahtstelle zwischen den lokalisierten Donaubildern und denen des
harmonischen Genießens von Speisen, Wein, Tabak, Kaffee und gemütlichem
Freundesgespräch in einer Altpester Wohnung:

” Ofen, den 17. December 1793. In: Reise des Grafen von Hofmannsegg in einigen Gegenden von
Ungarn bis an die türkische Gränze. Ein Auszug aus einer Sammlung von Original-Briefen.
Görlitz: bei C. G. Anton, 1800, S. 110-112. In: Deutschsprachige Texte, Bd. 3, S. 218 f.

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