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III. DIE DICHTUNG DER DEUTSCHSPRACHIGEN UNGARN UM 1800 Plötzlich einschneidend erscheinen darauf nur noch Ruinen, Finsternis und Verfall mit äußerst expressiven lyrischen Effekten: Göttin! Was stürzet vom Giebel herab! - - Es rollen die Steine - — Krachend trennen die Wände sich -— - nur noch Wissegrads Trümmer Sieht mein thränendes Aug; dem öden Gemäuer entfliehen Vögel der Nacht, umschwirren die Reste, Bäume verschwinden, Blumen welken, Gräser verdorren im weiten Burghof. So vernichtet die Zeit in wandelbaren Gestalten Was die thatenreichen Heroen setzten zum Denkmahl.°° DerLeserwird mich verstehen, wennmich dieser plötzlicheStimmungswechsel sowie die danach folgenden Enjambements der bewegten Hexameter und schließlich die letzten zwei gemächlich feierlichen Verse an die Mittelteile und den Ausklang des Prologs in Vörösmartys Zalan futasa [Die Flucht des Zalän] von 1825 erinnern. Der Ausklang der Matthias-Szene gibt schließlich dem romantischen Gegensatz noch einmal mit scharfen Konturen deutlichen Ausdruck: Klage nicht, höre mich, Sohn! Nichts haftet, Alles entschwindet: Nur der Nahme Corvin ruht ewig im Herzen des Volkes; Hunyady’s göttergleiches Geschlecht ist mit mir*° unsterblich. Fort aus diesem Ort, der nur Verwesung verkündet!“ Welch große Bedeutung in der Hymne der Kultur und den Wissenschaften zukommt, erhellt sich besonders innerhalb der lyrischen Beschreibung von Pest und Ofen,*? den wichtigsten Kultur- und Verwaltungszentren des Königreichs, wo der Dichter alsbald erneut für ein halbes Jahrzehnt seine Wirkungsstätte findet. Pest verkörpert mit der Universität, dem „Tempel des Wissens“, sowie mit den drei Bibliotheken, den „drey prunkenden Hallen“, in die „Kronions göttliche Tochter“ „die Schätze der Weisheit“ trug, eine wahre Hochburg geistiger Aktivitäten. Typisch für die Grubersche Darstellung ist dabei, dass er anschließend, am Anfang der Beschreibung Ofens, erneut historische Bilder in die Gegenwart einblendet, indem er auch dieses Mal mit feierlichen Worten des „göttlichen“ Humanistenkönigs und der Corvinus-Bibliothek gedenkt. (Die Nummern im folgenden Zitat verweisen auf die fortlaufenden Anmerkungen des Dichters bzw. auf seine unverwechselbaren Fufinoten:) ® Gruber, Hymnus an Pannonia, S. 25. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 124 f. 40 Mit den in diesen Versen zitierten Worten spricht die personifizierte „Mutter Pannonia“ den Dichter des „Hymnus“ an. Hervorhebungen L. T. 12 Gruber, Hymnus an Pannonia, S. 30. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 126. 41 +68 +