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3. EIN DEUTSCHER HYMNUS AN PANNONIA Hätte diese metaphorischen Partien von dem reinen Blut der Magyaren nicht ein Ungarndeutscher und nicht erst am Anfang des 19. Jahrhunderts geschrieben, als die Schriftsteller des Landes der Aufklärung verpflichtet Staat, Nation und Volk voneinander noch nicht wie später trennten, so könnte dem Autor sogar „rassistische Voreingenommenheit“ vorgeworfen werden. Hier entspringt dagegen das Bild der typischen aufgeklärten Denkweise und hat in diesem Kontext vorerst noch die Funktion, den natürlichen, unverdorbenen Zustand des Volkes, mit dem der Dichter sich vollständig identifiziert, zu feiern und zu schützen, wie dieser Naturzustand - wenngleich unterschiedlich ergründet und ausgelegt — etwa von Rousseau und noch früher von Albrecht Haller u. a. m. idealisiert wurde. Unmittelbar nach der Heraufbeschwörung Ärpäds fächert sich im Gedicht die Vision der Vergangenheit auf: Die Bilder der ruhmbekränzten Bogenschützen und der säbelschwingenden magyarischen Reiter, vor denen die Feinde zitternd fliehen, ziehen an den Lesern folgender Verse ähnlich vorbei, wie etwa in der Ode von Bredetzky: Kämpfend um Kränze, schwangen Pannonier immer empor sich; Kraft erhöhet dein Volk, du spannest die Sehnen der Helden; Zitternd entfliehen Feinde vor ihrem blitzenden Eisen Ross und Reiter stürzen zusammen im blutigen Sande, Und die heimische Macht vernichtet die stolzen Phalangen.°* Dabei könnte der Standort dieses Dichters innerhalb der zeitgenössischen ungarndeutschen Dichtkunst kaum weiter von dem des zipserdeutschen, protestantischen Samuel Bredetzky entfernt sein. Carl Anton von Gruber wurde am anderen Ende des Königreiches, in der Stadt Szeged geboren und erzogen. Seine Heimat war das ungarische Tiefland, seine höhere literarische und künstlerische Bildung erlangte er nicht wie Bredetzky in Jena, der damals klassischen deutschen Bildungsstätte, sondern in Wien. Auch seine katholische Religion trennte ihn vom protestantischen Theologen. Und doch ist ihre Dichtung (gleicher Weise verankert im Bekenntnis zum nationalen Ungarntum wie auch zu den weltoffenen Maximen der Aufklärung) dem Gehalt nach fester miteinander verbunden, als dies durch ihre Entfernung voneinander nach Herkunft, Religion und Bildungsweg möglich zu sein scheint. Carl Anton von Gruber, der gewiss zu den begabtesten ungarndeutschen Schriftstellern seiner Zeit gehörte, veröffentlichte seinen Hymnus an Pannonia in einem selbständigen Heft auf 48 Seiten kurz vor seiner Übersiedlung von Wien nach Pest. Die Pester Zeitschrift von und für Ungern von Ludwig Schedius lobte den großangelegten Hymnus und seinen Verfasser » Ebd.