OCR
III. DIE DICHTUNG DER DEUTSCHSPRACHIGEN UNGARN UM 1800 höchste Piedestal poetischer Feierlichkeit — ganz áhnlich wie es die Ungarn in Dániel Berzsenyis Lyrik aus der Zeit nach 1800 kennen lernten. Die begeisterte Heraufbeschwörung des landnehmenden Fürsten Árpád im deutschsprachigen Gedicht wies in vieler Hinsicht ebenfalls typologische Parallelitáten zur ungarischen Poesie auf. Berzsenyi nannte z. B. in seiner Ode An die Ungarn Árpád den heroisch gesunden Antipoden zu den verderbten Nachkommen in der ungarischen Gegenwart. Auch der bedeutendste ungarische Lyriker dieser Zeit, Mihaly Csokonai Vitéz, arbeitete gerade in der Entstehungszeit des Gedichtes von Bredetzky an seinem fragmentarisch gebliebenen Epos über Ärpäd, von dem sogar im Neuen Teutschen Merkur? berichtet wurde, und um diese Jahre begann auch der Erfolgsdichter der Zeit, Sandor Kisfaludy, nach und nach seine ersten nationalhistorischen Verserzählungen zu veröffentlichen. Somit gliedert sich der ungarndeutsche Samuel Bredetzky voll und ganz in den damals so wichtigen Prozess der Poesiegeschichte der Ungarn ein; über Berzsenyi führte er nach 1820 zu den großen ungarischen Romantikern, die sich mit den Bildern aus der ruhmreichen Vergangenheit Ungarns die Förderung der allgemeinen Entfaltung des ungarischen Nationalbewusstseins zum Ziele setzten. 3. EIN DEUTSCHER HYMNUS AN PANNONIA?! Pathetischer hat 1804 gewiss kein ungarischer Dichter um die reine unverdorbene Natur des heroischen Volkes der Árpáden gebangt als Carl Anton von Gruber,? der in Szeged geborene ungarndeutsche Dichter folgender Hexameter, als er „Mutter Pannonia“ anflehte: Ältere Völker sahest du schwinden, neueren weichen: Sechzig Äonen flossen vorüber thatenbelastet, Kurze Secunden nur dir und Träume der lebenden Menschheit. Ärpdäds Söhne fühlen das Eden von dir gesegnet. Schütze Mutter, diess Volk, bewahre den Geist der Ärpäden; Lasse nie reineres Blut durch Schierlingssäfte vergiften, Die der Versucher lockend oft beuth. Lass u n s ihn verachten.?? [- -] [vermutlich Rumy, Karl Georg]: Fortgesetzte Nachrichten über den gegenwärtigen Zustand von Ungarns Literatur und Kultur. In: Der Neue Teutsche Merkur [künftig: NTM], 1804, Bd. 2,H.7, S. 171. Siehe darüber mehr im Kap. XU/5. 3 Gruber, Carl Anton von: Hymnus an Pannonia. Wien: A. Pichler, 1804, 48 S. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 120-131. Ludwigné Szepessy, Ilona: Grubenfelsi Gruber Károly Antal hazai német író élete és irodalmi működése [Leben und literarisches Wirken des ungarndeutschen Schriftstellers Carl Anton Gruber v. Grubenfels]. Székesfehérvár: Egyházmegyei Ny., 1918, S. 121. (= Arbeiten zur deutschen Philologie — Német philologiai dolgozatok, XXIV) Gruber, Hymnus an Pannonia, S. 15. (Hervorhebungen L. T.) In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. I, S. 122. + 64 +