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III. DIE DICHTUNG DER DEUTSCHSPRACHIGEN UNGARN UM 1800

Schedius) sowie das ungarische Lokalkolorit — durch Naturbilder der Puszta
(von Gruber), der Weinberge (von Rösler), der Karpaten (von Bredetzky), durch
Pest-Ofner Stadtbilder (von Halitzky und Boros), ja sogar durch die vielen
Preislieder verschiedenster Autoren auf hervorragende Persönlichkeiten
der Zeit wie F. Széchényi, V. Batthyány, Gy. Festetics sowie Palatin Joseph —
lassen unverwechselbare poetische Gehaltsstrukturen sowie eine Metaphorik
erleben, die nur mit manchen gleichzeitig, ja oft sogar erst spdter entstandenen
magyarischen Gedichten verglichen werden können.

Vor allem diesen deutschsprachigen Gedichten des Königreichs Ungarn
seien dieses Mal die folgenden Überlegungen gewidmet.

2. EINE DEUTSCHE ODE AN DAS UNGARISCHE VATERLAND

1801 erschien in PreßburgSamuelBredetzkys Ode unter dem Titel Vaterland.
Sie ist ein Gedicht, das in seiner Zeit im komparatistischen Bezugssystem
der deutschen und ungarischen Dichtung einen außerordentlichen
lyrikhistorischen Stellenwert besaß. Der Verfasser, ein gebürtiger Zipser aus
Leibitz, der kurz zuvor in Jena sein Theologiestudium absolviert hatte, dort
leitendes Mitglied der berühmten Jenenser Mineralogischen Gesellschaft
war und sogar dem Weimarer Goethehaus mehrere Besuche abstattete,
beschäftigte sich in Ödenburg neben seiner Predigertätigkeit mit der
Ausführung eines großangelegten wissenschaftlichen Projekts über die
Topographie des Königreichs Ungarn. Weniger bekannt ist seine Lyrik, die
Ode zum Beispiel, in der er sich mit pathetisch-feierlichen Worten zu seinem
Vaterland bekannte. Dieses Bekenntnis enthielt die volle Identifizierung mit
Ungarn, seiner Landschaft seiner Vergangenheit und Zukunft.

Mit dem Blick von den höchsten Bergen des Landes, die dem Dichter als die
eigene Heimat vertraut waren, hebt das Gedicht an. Der Autor ermisst die Größe
Ungarns (1. Strophe), dann lässt er die Bilder der heldenmütig ruhmreichen
Vergangenheit mit den Siegen des landnehmenden Fürsten Ärpäd und seiner
Nachkommen vorbeiziehen (2.-6. Strophe), um schließlich der Hoffnung auf
den Sieg der hohen Ideale in „Pannonia“ Ausdruck zu geben (7.-8. Strophe).

Im Gedicht umrahmen die Karpaten die bewegten historischen Bilder:
Das raue Ensemble der „kahlen Felsen“ und „stürmenden Wetter“ korrespon¬
diert am Gedichtanfang, symbolisch tief verankert mit den blutigen Kämpfen
und Siegen, hingegen vermittelt das „freundlich“ strahlende „goldene
Abendroth“ der Bergspitzen gegen das Ende des Gedichts Harmonieempfin¬
dungen von der idealen Zukunft:

26 Bredetzky, Samuel: Vaterland. In: Musenalmanach von und für Ungarn auf das Jahr 1801,
S. 15-17. In: Deutschsprachige Texte aus Ungarn, Bd. 1, S. 83 £.

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