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1. ALLGEMEINER ÜBERBLICK

bürgerlichen, „eleganten“? Welt (freilich zu Gunsten der Letzteren) deutlich
gemacht werden. Joseph Leyrer wusste meines Erachtens besser als alle
anderen Verleger im alten Pest-Ofen, womit man auf dem Büchermarkt der
Hauptstadt Erfolge erzielen konnte.

Auch die Verfasser der Gedichte waren vor allem Stadtbürger:
Universitätsprofessoren (Johann Ludwig Schedius, Andreas Friedrich
Halitzky), neben- oder hauptberufliche Lehrer (Markus Bresnitz, Karl Daniel
Nitsch, Johann Michael Tekusch, Johann Schauff), Ärzte (Johann Paul
Köffinger, Johann Karl Lübeck), protestantische oder katholische Geistliche
(Samuel Bredetzky, Jacob Glatz, Johann Genersich, Andreas Thorwächter,
Johann Purkhart), Theaterleute (Joseph Meister, Maria Anna Müller), mehr
oder weniger freischaffende Literaten (wie z. B. Christoph Rösler und zum
Teil Carl Anton Gruber) u. a. m. Mit einer wesentlich geringeren Zahl war die
deutschsprachige Lyrik im ungarischen Königreich mit Gedichten deutsch
schreibender Adliger (z. B. Franz von Boros, Therese von Artner, Gräfin
J. v. P. [d. i. Johanna v. Prönay, geb. Teleky], Johann von Asböth,) vertreten.

In Ungarns deutscher Dichtung gab es um 1800 die unterschiedlichsten
lyrischen Stoffe, Genres und Formen: Balladen, Episteln, Elegien, Hymnen,
Oden, didaktische Gedichte und Fabeln sowie poetische Landschaftsbilder
und eine ganze Reihe von patriotischen, politischen und religiösen Liedern.
Der Reichtum der ungarndeutschen städtischen Dichtung erweist sich auch in
den vielen Stiltendenzen des poetischen Angebotes, mit dem die Autoren den
unterschiedlichsten Interessen der Leser nachzukommen versuchten. Man
begegnet dabei empfindsamer, romantischer und aufgeklärt witziger bzw.
didaktischer Poesie, pathetischen Preisliedern, historischen Betrachtungen
und Gemälden aus der ungarischen Vergangenheit, gleichzeitig in Verse
gesetzten Neujahrswünschen von Theaterleuten und Briefträgern und der
kritiklosen Übernahme der naiven Formensprache der zeitgenôssischen
deutschen Flugblatt- und Unterhaltungslyrik, aber auch den im Kônigreich
damals modernen Experimenten mit der deutschsprachigen klassizistischen
Dichtung sowie dem ,vers libre“.

Auffallend ist dabei der verhältnismäßig hohe Anteil der klassizistischen
Gedichte in der anspruchsvolleren ungarndeutschen Lyrik bis etwa um 1830.!°
Merkwürdig ist dies unter deutsch-ungarischen komparatistischen Aspekten
vor allem darum, weil vom klassizistischen Formenreichtum der literatur¬

Anspielung aufden Titel der seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts (auch im deutschsprachigen
Ausland) besonders erfolgreichen Leipziger ,,Zeitung fiir die elegante Welt“.

Vgl. dazu die alkäischen, asklepiadeischen und sapphischen Strophen, sowie die Hexameter
und die Distichen von Therese Artner, Samuel Bredetzky, Carl Anton v. Gruber, D. C. Dorion
u. Johann Paul Köffinger.