II. DEUTSCHSPRACHIGES LITERARISCHES LEBEN IN OFEN UND PEST UM 1800
sollte auch die Vorstellung von verschiedenen stilistischen Eigenarten der
zeitgenössischen deutschen Dichtung die Entwicklung der Vielfalt ein¬
heimischer Tendenzen unterstützen: Dazu diente auch die seinerzeit in- und
außerhalb des Königreichs außerordentlich wirksame Charakteristik der
zeitgenössischen deutschen Dichter und ihrer Werke von Rôsler.*
Nach 1800 wurden aber bereits auch manche Debatten? z. B. über den
Stand der ungarndeutschen Literatur im kulturellen Leben des Königreichs
oder auch über das Ungarnbild einheimischer und ausländischer Verfasser
geführt. Auch diese trugen — wie einst in Deutschland — dank dem dabei
fortwährend differenzierteren Umgang mit den jeweiligen Fakten sowie den
Gegenargumenten vor der Öffentlichkeit in hohem Maße zu Fortschritten in
der Meinungsbildung und damit auch im kulturellen Leben bei.
Die maßgebenden kritischen Stellungnahmen, die kulturhistorischen
Programme sowie die ästhetisch-poetischen Forderungen von den Dichtern
erschienen vor allem in den berühmten (oben bereits erwähnten) zwei
Zeitschriften von Johann Ludwig Schedius aus der Zeit unmittelbar vor
und nach der Jahrhundertwende, später im Patriotischen Wochenblatt
(1804)? und in den Ungrischen Miscellen (1805-1807)° von Johann Karl
Lübeck, außerdem in Röslers Kritischem Anzeiger (1804)° und in den
programmatischen Studien seiner vorziiglichen lyrischen Almanache. Sie
vertraten alle ein anspruchsvolles Niveau, wobei sie in unterschiedlichem
Maße den zeitgenössischen Unterhaltungstendenzen der Literaturszene
verpflichtet waren. Außer diesen periodischen Schriften galten aber damals
auch die Modeblätter - im Königreich? wie auch in Deutschland" — als
wichtige Medien der Belletristik, ja sogar die verschiedensten periodischen
Schriften des Gewerbewesens unterhielten die fachinteressierten Leser mit
manchen Gedichten und Erzählungen.*?
® Siehe Kap. 1/5.
» Vgl. dazu die zeitgenössischen Schriften im Kapitel Debatten. In: Deutschsprachige Texte
aus Ungarn, Bd. 3, S. 159-205.
” Lübeck, Johann Karl (Hg.): Patriotisches Wochenblatt für Ungern. Zur Verbreitung
gemeinnütziger Kenntnisse und Beförderung alles Guten und Nützlichen. Für Leser aus
allen Ständen. Doktor der Arzneikunde. 4 Bände. Pesth: bei Konrad Adolph Hartleben,
Buchhändler in der Waitznergasse, 1804, S. 384, 320, 288; S. 255.
38 Ungrische Miscellen. Hg. v. Dr. Johann Karl Lübeck. 3 Hefte. Pesth: Konrad Adolph
Hartleben, 1805-1807, S. 120, 100; 96.
® Kritischer Anzeiger der neuesten Literatur. Hg. u. red. v. Ch. Rösler. Ofen: 1804, Heft 1-15.
* Siehe Joseph Leyrers zwei Modeblätter, die „Zeitung für Damen“ (1806-1808) und die
„Zeitung für Herren und Damen“ (1807).
“1 Siehe z.B. in jener Zeit die in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts im ganzen Mitteleuropa
gelesene Leipziger „Zeitung für die elegante Welt“ sowie das Weimarer „Journal des Luxus
und der Moden“.
2 Vgl. dazu z. B. das Pester Kundschaftsblatt, Pest, H. 1. den 1. Juny 1805. Hier kündigt bereits
der umfassende Untertitel „interessirende und nützliche angenehme Gegenstände“ an. Laut
Programm, 5. 2, stünden in der Zeitschrift an erster Stelle, wie es da heißt „lstens Moralische