I. DEUTSCHSPRACHIGE ÁUTOREN UND TEXTE IM KÖNIGREICH UNGARN...
mit Ungarn, dem Land und seiner Bevölkerung sowie mit deren Zukunft¬
serwartungen und historischen Erinnerungsbildern identifizierten. Sie
berichteten mit dem gleichen Stolz wie ihre ungarisch schreibenden
Landsleute über die Erfolge der ungarischen Könige im Mittelalter und
über die heroischen Kämpfe des Janos Hunyadi, Miklös Zrinyi u. a., die ihr
Leben für die Verteidigung des Landes und Europas einsetzten. Man staunt
dabei, wie der ungarndeutsche Jacob Glatz sogar der Deutschfeindlichkeit der
Magyaren Verständnis entgegenbrachte: Hierzu dokumentierte er seitenlang
die „schreyenden Greuelthaten“ der „Deutschen“ von der Begründung des
ungarischen Staates bis zu den „jüngsten Machinationen des Österreicher
Hofes, Ungarn in eine teutsche Provinz zu verwandeln“.’® Aus der langen
‚Liste‘ seien hier die Sätze zitiert, welche an historische Ereignisse erinnerten,
die im ungarischen und deutschungarischen kulturellen Leben (damals wie
auch später) des Öfteren thematisiert wurden:
Wie sehr begünstigte Andreas II.,” seine bösgesinnte Gemahlin, Gertraud, eine
Tyrolerin. [Sie] führte das Staatsruder. Die Königin kam in Verdacht, als habe
sie einem ihrer Brüder Gelegenheit verschafft, die Gemahlin eines gewissen
Bankoban’s zu nothzüchtigen.
Welche Gewaltthatigkeiten erlaubte sich nicht ein Cilly,°° ein Karafa*! gegen
den Nationalunger! Das letztere Ungeheuer brachte seiner Mordlust eine Menge
unschuldiger Schlachtopfer. Die Greuelscenen in Eperies sind noch bis jetzt
nicht in Vergessenheit gerathen. Karafi”? (Sohn des Kar.) ist noch immer der
beleidigendste Schimpfname in Ungarn.
Mußte nicht ein Ladislaus Hunyadi,” verehrt, geliebt vom ganzen Lande, eines
Teutschen wegen, unter den Händen eines ungeschickten Henkers bluten?
[Glatz, Jacob]: Freymüthige Bemerkungen eines Ungars über sein Vaterland. Auf einer Reise
durch einige Ungarische Provinzen. Teutschland, 1799, S. 58 f. In: Deutschsprachige Texte
aus Ungarn, Bd. 3. S. 39 f.
29 Andreas II., ungarischer König (1205-1235).
Ulrich von Cilly (1406-1456) diente zur Zeit der angehenden Türkenkriege in Ungarn als
entschiedener Gegner des Türkenbesiegers Jänos Hunyadi fremden Interessen.
#1 Betrifft Antonio Caraffa (1646-1693), von den mittachtziger Jahren Reichsgraf und
Armeegeneral des Kaisers Leopold I. Vor und nach der Befreiung der ehemaligen Hauptstadt
des ungarischen Kônigreichs (Buda, 1686) berüchtigt durch die grauenvolle Unterdrückung
der Ungarn, vor allem durch das ,Blutbad“ in Eperjes (heute: Pre$ov in Slowakien).
Gemeint ist damit das ungarische zusammengesetzte Wort „kurafi“ (Hurensohn). Jacob
Glatz beherrschte dank seiner Schulzeit in Miskolc die ungarische Sprache. Doch beim
Verständnis für seine beeindruckende volksetymologische Interpretation der Herkunft
dieses Wortes ist der erste Teil der Zusammensetzung vermutlich älteren (slawischen)
Ursprungs.
Läszlö Hunyadi (1433-1457) Sohn des Türkenbesiegers János Hunyadi, älterer Bruder des
späteren ungarischen Königs Matthias Corvinus (1458-1490).