6. NATIONALES ENGAGEMENT FÜR UNGARN — DEUTSCH UND UNGARISCH
Modetrends spätaufklärerisch sentimentaler und witziger urbaner Poesie der
„eleganten Welt“? sowie sogar dem Flugblattliedton und der Bänkelsängerart
der Jahrmärkte.
Zum „Nachmachen“ und zu so einer Art „Wetteifern“ mit Goethe, Schiller,
Jacobi, Matthisson u. a. fühlten sich aber in den Jahrzehnten vor und nach
1800 nicht nur die deutschen Ungarn wie Köffinger, Lübeck, Rösler, Bredetzky,
sondern auch die Magyaren Jänos Kis, Berzsenyi, der junge Kölcsey, ja sogar
Csokonai und Fazekas angeregt. Die gerade sich im Steigen begriffene Literatur
bedurfte schon immer des bewussten Umgangs mit fremden Mustern, um
dadurch die modernsten Trends in der eigenen Welt anzusiedeln. Dabei
war die stimulierende Wirkung der deutschsprachigen Ungarn auf ihre
ungarischen Landsleute auch in dieser Beziehung unverkennbar.
6. NATIONALES ENGAGEMENT FÜR UNGARN — DEUTSCH UND UNGARISCH”
Wer aber über diese Literatur nicht nur spricht, sondern auch deren
Texte liest, weiß andererseits genau, dass sie bei aller Anlehnung an die
deutschen Vorbilder in den meisten Fällen deutlich erkennbar „ungarisch“
motiviert war und somit scharf umrissene typologische Beziehungen zu den
zeitgenössischen Gehaltsstrukturen und zur Metaphorik der ungarischen
Literatur aufwies oder zumindest ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes
Lokalkolorit erscheinen ließ.
Angeboten wurden ja Oden und Hymnen an das ungarische Vaterland mit
der Beschwörung der Glanzjahre der ungarischen Vergangenheit, außerdem
Dramen über historische Gestalten aus dem ungarischen Mittelalter sowie
hochschwingende Preislieder auf hervorragende Persönlichkeiten der
Gegenwart. Unter dem deutschen Wort „Vaterland“ verstand man freilich in
diesen ungarndeutschen belletristischen Werken nicht wie im allgemeinen
jenseits der Leithavor 1800 etwa Preußen, Österreich, Sachsen oder Bayern und
nach 1800 weit und breit bereits Deutschland,” sondern Ungarn mit dessen
Gegenwart, mit seiner ruhmreichen Vergangenheit seit dem landnehmenden
Ärpäd und mit seiner viel verheißenden Zukunft. Die authentischen
Bekenntnisse dazu verbinden somit diese deutschungarische Dichtung auf
das engste mit der ungarischen.
Liest man Texte der ungarndeutschen Literatur um 1800, so wird man
immer wieder überrascht, mit welcher Entschiedenheit sich die Verfasser
Hinweis auf den poetischen Geschmack urbaner Leser am Anfang des 19. Jahrhunderts, wie
man diesem z. B. in der ab 1801 im ganzen deutschsprachigen Mitteleuropa besonders gerne
gelesenen Leipziger „Zeitung für die elegante Welt“ entgegenkam.
Siehe dazu vor allem Kap. IV. u. V.
27 Siehe dazu Kap. V/2.