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Zwote Abtheilung
Von den Mitteln, welche wider die Hexereyen gebraucht werden.
Erster Abschnitt

Von den Vorbauungsmitteln

So lácherlich vor einen gesunden Menschenverstand diese vorherangeführte Thorhe¬
iten des noch immer bestehenden Aberglaubens sind, eben so lácherlich sind auch die
von dem gemeinen Manne, der an diesen Thorheiten kranckelt, dawider gebrauchte
Mittel, sie mögen entweder zur Vorbauung, oder auch zur Vernichtung der bereits als
geschehen geglaubten Verhexungen gebraucht werden. Als Vorbauungsmittel sind mir
bekant worden folgende:

1. Bey Kindbetterinnen.

a) Wider das Milchnehmen der Kindbetterin. Da muß derienige, welcher sich etwa aufs
Bett derselben gesezt hat, etwas von sich zurücklaßen, sich entweder ein paar Haaren
ausraufen, oder ein paar Fäden aus dem Hemde oder seiner übrigen Kleidung auszup¬
fen und sie aufs Bett werfen. Eine säugende Weibsperson hingegen muß aus ihren Brüs¬
te einige Tropfen Milch ausmelcken und aufs Bett hinsprizen.

b) Um dem Kinde den Schlaf nicht zu nehmen, muß jeder, der ins Zimmer kömmt, wenn
er gleicht noch so schleunige Geschäfte haben solte, doch kaum einige Augenblicke
niedersizen.

c) Wider das Berufen der Kinder wird in einen neuen Topf Waßer geschüttet drey glüen¬
de Kohlen hineingeworfen, dreymal das Kreuz gemacht, und das Kind mit diesem
Waßer dreymal im Gesicht bestrichen. Andere pflegen von diesem Waßer dreymal ins
Feuer zu sprengen, und hernach davon den Kindern zu trincken zu geben.

d) Wider das Gebrechen bey Kindern wird das so genante Reden vors Gebrechen gebraucht.
Es pflegt ein Weib, das diese Kunst versteht, (denn ordentlich ist nicht mehr als ein
einziges in einem Dorfe so glücklich, daß sie diese Kranckheit heilen kan, weil sie ihre
Kunst gleichsam vom Himmel ohne ihr Zuthun erhalten hat) einige ihr selbst unver¬
ständliche Worte, zu deren Bekantmachung sie unmöglich kan gebracht werden, weil
sie sonst ihre Kunst zu verlieren fürchtet, herzumurmeln, und unter diesen Worten den
Schlund des Kindes mit Speichel aus ihrem Munde zu streichen und so lang damit
fortzufahren, bis das Schlingen ist erleichtert worden.

II. Gegen die Kranckheiten der Menschen sind mir keine Vorbauungsmittel bekant, es
wäre denn, daß man die superstitiose Beobachtung der Fasten bey den Wallachen als
ein Mittel allerley Kranckheiten vorzubauen davor annehmen wolte. Wenigstens habe
ich erst im verfloßenen Jahre selbst bey einer krancken Sächsin diesen wallachischen
Aberglauben gefunden. Sie hatte, da sie in ihrem jungen Jahren oft gekränckelt, auf
Anrathen eines Popen das Gelübde gethan, am Freytag kein Fleisch zu eßen, hatte
aber nachher, theils durch meine Predigten, die diese Fasten als lächerlich und evan¬
gelischen Christen ungeziemend vorgestellt, gereizt, dieses als einen Aberglauben an¬
zusehen, theils vielleicht auch aus Sorglosigkeit einigemale ihr Gelübde gebrochen, war

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