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Aramannino da Bologna, In Nasonis Heroidas von Ubertino Clerico, und Enarrationes von Raffaele Regio. Zugleich gibt Kiräly selbst zu, dass er im Dunkeln tappt, denn einen direkten und handfesten Einfluss fand er in keinem der Fälle. Solange also keine direkte lateinische Quelle auftaucht, können wir getrost annehmen, dass Hunyadi aus dem eigenen Kopf, vielleicht unter dem Einfluss seiner Schullektüren, wie er selbst anmerkt: „aus vielen Chroniken das Historiengesang in Versen abfasste”. In diesem Fall handelt es sich also nicht nur um die Übersetzung eines lateinischen Textes ins Ungarische, sondern um eine Bearbeitung der Geschichte des torjanischen Krieges in ungarischer Sprache, die im Gewand der historischen Authentizität der Chronik als Dichtungsgattung den Krieg in populärwissenschaftlicher Form zu erzählen trachtet. Das Streben nach Authentizität hindert Hunyadi jedoch nicht daran, im Zuge des Erzählens der Geschichte, seine offene Sympathie für Troja und dessen Helden kundzugeben. Achilleus besitzt zwar große Kraft, doch ist er dabei auch feige und ein hinterhältiger Wahnsinniger, der den ebenfalls bärenstarken, doch mildherzigen Hektor — den wahren Helden von Hunyadis Geschichte — nur meuchlings mit einem giftigen Pfeil töten vermag. Veröffentlicht in lateinischer Sprache Sein erstes bekanntes Werk in lateinischer Sprache erschien zur Lobpreisung von Stephan Bäthory in einem von Ippolito Zucconelli in Venedig veröffentlichten Band unter dem summarischen Titel [In laudes serenissimi, atque potentissimi D.D. Stephani regis Poloniae [zum Lobe Stephans des glorreichsten und mächtigsten Königs von Polen]. Der Dichter hat den aus 2793 Hexametern bestehenden Panegyrikus in vier Teile gegliedert: er setzt mit einer einleitenden Invokation von 66 Hexametern an, dann schreibt er in dichten mythologschen Bildern und Symbolen über die Geburt Bäthorys in 234 Hexametern (Stephanu genethlia: Stephans Geburtstagsfeier). Im Grunde handelt es sich um ein Gelegenheitsgedicht, in der Dichtungsgattung genthliacum oder natalitium, welches das Lobgedicht von der Länge eines kleinen Epos (Epyllion) einleitet. Der dritte Teil umfasst in 1015 Hexametern die Kindheit und die Jugendzeit von Bäthory unter dem Titel Stephanu paedia. Das in der Marge der Originalausgabe mit dem Titel Virtus & voluptas angezeigte Certamen (Wettkampf) ist die wichtigste und ausführlichste Darstellung des Topos des herkulischen Scheideweges in Ungarn jener Zeit. Um die Seele des jungen Bäthory wetteifern die weiblichen Figuren der Virtus (Tugend) und der Voluptas (Wollust), die er schon vom Weiten zur Y-Weggabelung herannahen sieht. Die Voluptas ist leichtfüßig, beinahe hauchzart, während Virtus eher ein Mannsbild abgibt, ihr Haar ist vernachlässigt, zerzaust. Der junge Bäthory steht vor einer schweren Entscheidung, er muss zwischen den beiden wählen, entweder die eine, oder die andere: welcher soll er auf dem Weg folgen. Virtus wird von allegorischen Frauengestalten begleitet: zu ihrer Linken 301