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LÁSZLÓ TARNÓI: SCHNITTPUNKTE. STUDIEN ZUR GERMANISTIK UND HUNGAROLOGIE Sangerknaben.“* Der Lieder, Balladen und Romanzen Uhlands nahmen sich erstrangige Dichter der Zeit an, so u. a. Jözsef Bajza, Janos Erdélyi und Frigyes Kerenyi, um sie ins Ungarische zu übertragen. Die Themen seiner Werke wurden adaptiert, die von ihm bevorzugten Genres weit und breit nachgeahmt. Einer der erfolgreichsten Poeten dieser Jahre, János Garay, von dem Kertbeny mit vollem Recht sagte, dass in ihm der „Einfluß der Uhlandschen Romantik ...am deutlichsten und nachhaltigsten zum Vorschein kam“ und dass er „das Timbre des Troubadourwesens in der Idee wie die Nibelungenstrophe in der Form vollständig einbürgerte,“?° wollte und konnte sich bis zum Auftreten Sändor Petöfis von Uhlands starkem Einfluss nicht befreien. Die schwäbische Romantik hat somit die Entwicklung der ungarischen Poesie in die Richtung der nationalen Volkstümlichkeit von Sändor Petöfi und Jänos Arany in hohem Maße mitbestimmt. Trotzdem blieb die Uhland-Mode in der Rezeptionsgeschichte der deutschen Literatur in Ungarn vor 1850 nur eine Episode. Dem ähnlich reduzierte sich auch die Orientierung an Goethe bis 1850 in erster Linie auf die Jahrzehnte um 1800, vor allem wie er mit seinen Schriften in der achtbändigen ersten Werkausgabe von 1790 in der Öffentlichkeit präsent war und von Ferenc Kazinczy interpretiert wurde, mit dem Unterschied, dass dank den Schülern Kazinczys Goethe auch in den Jahren des ungarischen Vormärz, zwar ohne die frühere rezeptionshistorische Produktivität, aus dem geistigen Leben der Ungarn nie gänzlich ausgeklammert blieb. Aber die kontinuierliche Vertiefung in dem mächtigen CEuvre (vom „kleinsten“ Detail* bis zu dem „Hauptgeschäft“, dem vollständigen Faust)‘’ und die allmähliche Verbreitung der Kenntnisse darüber sowie deren seither ununterbrochene Wirkung # Kertbeny, Karl Maria: Dichtungen von Johann Garay. Aus dem Ungrischen übersetzt durch Kertbeny. [Einleitende Worte]. Pest, 1854. XXVIII; 112 S., hier S. XIII f. 85 Ebd. Weiteres iiber Janos Garay (1812-1853), siehe u. a. Pornay, Gyula: Garay Janos kéltészetének forrásai [Die Quellen der Dichtung v. J. G.]. Budapest: Verfasser [Privatdruck], 1933, 118 S. 86 Ich denke dabei an das kleine poetische Wunder" , Über allen Gipfeln ...", dessen ungarische Nachdichtungsgeschichte erst ab 1862 mit der Übersetzung von Andor Sponer in einer Budapester Damenzeitung (Nővilág) [Frauenwelt] begann, wie darüber 1982 Károly Újvári berichtete und in seiner Studie noch 28 weitere Nachdichtungen des , Nachtliedes" (darunter 26 bereits aus dem 20. Jahrhundert) mitteilte. (K. U.: Wandrers Nachtlied in der ungarischen Literatur. In: Goethe-Studien. Zum 150. Todestag des Dichters. Hg. v. Mádl, Antal u. Tarnói, László: Budapest: 1962, S. 321-358. - [BBG 9]). Siehe darüber auch den Beitrag über Árpád Töth, in diesem Band S. 219-237. An dieser Stelle ergänze ich diese Liste mit einem (allerdings recht anfänglichen) weiteren Versuch, chronologisch mit dem zweiten aus dem 19. Jahrhundert, von Däniel Erödi: „Minden ormon / Nyugalom van / Szellö se süg / A lombokban / Az erdöben elhallgatott / A madár / Nemsokára, várj csak te is / Nyugszol már." In: D. E.: Idegen Dalok [Fremde Lieder]. Esztergom: Horak Ny., 1875, S. 15. #7” Man denke dabei an seine außerordentlich starke Wirkung auf das bedeutendste Drama der ungarischen Literatur, „Die Tragödie des Menschen“ von Imre Madäch (entstanden 1859/1860) sowie an die ersten ungarischen Nachdichtungen des „Faust“, seines ersten Teiles von Lajos Döczi (1873), des zweiten von Antal Väradi (1887) und an die Faust-Studien des ungarischen Akademikers Gusztäv Heinrich. + 290 +