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BEGEGNUNGEN MIT DER DEUTSCHEN LITERATUR nl...] wehe uns, wenn diese Ideen bei uns einnisten [!]“*° Dem Zugang zu den Werken wie auch zu deren Verfassern in Jena und später in Wien stand in Ungarn eigentlich nichts im Wege. Umso mehr dem geistigen Angebot der Frühromantik: Denn in einem Land, in dessen sieben Jahrzehnte langen Geistesgeschichte die Ideen vom Fortschritt und Vaterland und besonders deren simultanes Sowohl-Alsauch von so großer Bedeutung waren, konnten kaum Interessen entstehen für etwas, das in dieser Beziehung hauptsächlich das strickt verneinende Weder-Noch zu artikulieren hatte. Vor allem dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass die Ungarn (deutsch- oder ungarischsprachig) im ganzen Zeitraum vor 1850 nicht nur für die frühromantischen Verfremdungs-Attitüden rezeptionstaub blieben, sondern auch für die Zerrbilder in der Märchen- und Novellendichtung des E. T. A. Hoffmann. Für letzteren konnte ich bisher aus jener Zeit einen einzigen begeisterten Leser im Königreich verbuchen, den jungen Istväan Széchenyi. 3. Zwischen den großen historischen Epen des Romantikers Mihäly Vörösmarty in den zwanziger Jahren und der angehenden reifen Lyrik des Sändor Petöfi um 1845 entstand in Ungarn vorübergehend besonderes Interesse für kurze historische balladeske Gedichte und damit die Rezeptionsoffenheit für Ludwig Uhland und die schwäbische Romantik. Der ungarndeutsche Deutschlehrer Tobias Gottfried Schröer®! hat bereits in seinem 1830 veröffentlichten kleinen Lehrbuch der deutschen Literatur,®? d. h. ganz am Anfang der Uhland-Mode im Königreich von den deutschen Romantikern in erster Linie Ludwig Uhland und Justinus Kerner der deutschsprachigen Jugend in Ungarn empfohlen. Das Interesse für ihre Werke (außer den Gedichten auch für die theoretischen Schriften von Uhland) wurde in jenen Jahren schließlich so stark, dass sich ihrer für anderthalb Jahrzehnte kein ungarischer Schriftsteller entziehen konnte,°® mit den Worten von Karl Maria Kertbeny „eine Weile hindurch wimmelte es auf dem ungrischen Parnaß von Königssöhnen, Edelfräulein und 80 Szalay Läszlö: Eszrevetelek a Muzärion III. €s IV. köteteröl [Bemerkungen zu den Bänden 3 und 4 der Zeitschrift Muzärion]. Pest, 1830, S. 18. Szalays Studie wurde 1833 auch in der Zeitschrift Muzärion veröffentlicht: Muzärion N. F. 1833, Bd. 1,H. 1, S. 54-98. Tobias Gottfried Schröer (1791-1850) war der Vater des ungarndeutschen Germanisten Karl Julius Schröer (1825-1900), der um die Jahrhundertmitte zwei Jahre lang den Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur der Pester Universität leitete. Tobias Gottfried Schröer: Kurze Geschichte der deutschen Poesie und Prosa. Ein Leitfaden zu Vorlesungen und zum Privatunterricht. Preßburg: Verlag bei Joseph Landes, 1830, 57 S. Vgl. dazu meinen Konferenzbeitrag „Die Uhland-Rezeption in Ungarn“ an der Lenau-Tagung in Esslingen im Herbst 1977. In: Lenau-Almanach 1976-1978. Wien: 1978, S.47-58. In Ungarn erschien der umgearbeitete Text in: Rezeption der deutschen Literatur in Ungarn 1800-1850. 1. Teil: Deutsche und ungarische Dichter. Budapest: ELTE, 1987, S. 209-226. (= Budapester Beiträge zur Germanistik, Bd. 17) 8 e 82 8 0 + 289 +