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DER NACHGEDICHTETE NACHDICHTER ÁRPÁD TÓTH DEUTSCH! Vor drei Tagen war sein hundertster Geburtstag, den wir heute begehen, und wie es heißt, noch in diesem Jahr erscheint beim Verlag Corvina sein erster Gedichtband in deutscher Sprache: Er sollte nun auch ihm - einem der Vertreter der modernen ungarischen Dichter der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts — nach Endre Ady, Mihaly Babits und Milan Fiist — die Chance geben, wenigstens in einer Weltsprache außerhalb Ungarns in Europa verstanden und aufgenommen zu werden. Ob er, der Europäer-Ungar nun deutsch und damit europäisch wird? Erfolgt der Grenzübertritt der isolierenden Sprachbarriere nicht allzu spät? Und vor allem sind die deutschen Nachdichtungen seiner äußerst eigenständigen Poesie gerecht geworden? - Fragen, die restlos erst nach dem Erscheinen des Corvina-Bandes vielleicht beantwortet werden können. Er ist einer jener ungarischen Dichter, die kurz nach der Jahrhundertwende mit ihrem erfolgreichen Anschluss an die europäische Moderne in Ungarn eine nahezu literarische Revolution auslösten. In den letzten Friedensjahren vor dem Ersten Weltkrieg wirkten ihre dissonanten Töne ernüchternd, schockierend und gleichzeitig jedes für ästhetisch-poetische Werte sensible offene Denken produktiv weiterfördernd. Wie so oft in der Geschichte der Weltliteratur hatten somit Desillusioniertheit, Entfremdung, Negation und Pessimismus in der damaligen ungarischen Poesielandschaft wesentlich mehr Beziehungen zur zeitgenössischen Wirklichkeit als der blind stumpfe in tradierten Strukturen zersungene selbstgefällige Optimismus. Der Unterschied zwischen Gängigem und Modernem war dabei in der Poesie mindestens so groß wie in der zeitgenössischen Musik zwischen den honigsüß einschläfernden Wohlklangen eines Operetten-Tschardasch und Bartökscher Disharmonie. Das Moderne konstituierte durch das erlebte Missverhältnis zum sozialhistorischen Gefüge lauter Dissonanzen. So unterschiedlich die Dichter, Ady, Babits, Füst, Kosztolänyi und Töth, die sogenannten „Westler“ (nach dem Titel ihrer 1908 gegründeten Zeitschrift) ihrer persönlichen Veranlagungen nach auch sein mochten - gerade durch die poetisch-authentische Erfassung der Widerspruchsfelder der Zeit —, haben sie dieses Missverhältnis größtenteils nie \ Öffentlicher Vortrag anlässlich des 100. Geburtstags von Arpad Toth im Haus der Ungarischen Kultur in Berlin, Donnerstag, den 17. April 1986. Da der deutsche Ärpäd-Töth-Band des Corvina Verlags im April 1986 noch nicht erschienen ist, bereitete ich mich damals auf Grund der mir zur Verfügung gestellten Manuskripte der deutschen Übersetzungen vor. Meine Worte begleitete die Schauspielerin Friederike Aust mit der beeindruckenden Rezitation der von mir dazu ausgewählten Nachdichtungen. Diese gebe ich in den Fußnoten mit den Namen der jeweiligen Nachdichter und der nachträglich identifizierten Stelle im später erschienen deutschen Corvina-Band an. + 219 +